Viele Kinder bleiben arm dran

Familienreport macht soziale Schieflage deutlich: Jedes fünfte Kind gehört zur Risikogruppe

Eine Woche vor der Wahl erscheint der neueste Familienreport der Bundesregierung - und informiert über eine steigende Gefahr der Kinderarmut. Trotz Wirtschaftsbooms, trotz Rekordbeschäftigung und trotz einer Haushaltslage, die so gut ist, wie seit Jahrzehnten nicht. 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche galten demnach 2015 als armutsgefährdet. Die sogenannte Armutsrisikoquote lag bei 19,7 Prozent - also jedes fünfte Kind ist von Armut bedroht. Das sind 1,5 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2010.

Die Familienpolitik habe in dieser Legislatur zwar viel vorangebracht, sagte Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD), doch stellte sie auch fest, dass noch immer zu viele Kinder von staatlichen Angeboten nicht erreicht würden. »Die Chancen von Kindern sind in unserem Land immer noch zu ungleich verteilt«, konstatierte sie.

Als Grund für das gestiegene Armutsrisiko nennt der Report zum einen den Zuzug von Kindern aus dem Ausland, die anfangs als Flüchtlinge auf nur geringe staatliche Leistungen angewiesen sind. Zudem hätten Familien, in denen nur der Vater einer Erwerbsarbeit in Vollzeit nachgehe, deutlich weniger Einkommen als Familien, in denen auch die Mutter arbeiten gehe.

Um die Teilhabechancen für Kinder aus Geringverdienerfamilien zu verbessern, seien gute Ganztagsangebote notwendig, aber auch mehr frühkindliche Betreuung. Für Barley ist eine »gute, verlässliche und kostenfreie Kinderbetreuung« ein probates Mittel, um bestehende Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Jeder Euro, der in gute Kitas, Ganztagsschulen und Horte investiert werde, zahle sich mehrfach aus, so ihre Überzeugung. Kein Zufall, dass dies alles auch Wahlkampfforderungen der Sozialdemokraten sind. Sie wollen die Kinderbetreuung weiter ausbauen. Nicht zuletzt soll den Müttern und Vätern damit der Rücken für die Erwerbsarbeit freigehalten werden. Die Elternbeiträge für die Betreuung will die SPD überdies streichen, auch die Linkspartei fordert dies in ihrem Wahlprogramm. Deren Parteichefin Katja Kipping griff die Koalition nach Vorlage des Familienreports scharf an, warf der Union und der SPD ein Scheitern im Kampf gegen die Kinderarmut vor. Die Parteien hätten versagt, »allen Kindern in unserem Land die gleichen Chancen und die gleiche Teilhabe an Bildung, Sport, Kultur zu sichern«, sagte Kipping.

Der Familienreport offenbart indes auch einen gesellschaftlichen Wandel. Demnach heiraten immer weniger Paare; die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften hat sich in den vergangenen 20 Jahren fast verdoppelt und lag 2016 bei 843 000. Auch die Zahl der Kinder, die nur bei einem Elternteil aufwachsen, stieg - von 1,9 Millionen im Jahr 1996 auf 2,3 Millionen im vergangenen Jahr. Wenig verwunderlich: Alleinerziehende sind besonders armutsgefährdet, die Quote liegt derzeit bei 44 Prozent.

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