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Ein ziemlich unmöglicher Burger

Gentechnisch erzeugter Rinderhack-Ersatz sorgt für fast authentisches Fleischerlebnis. Von Bernd Schröder

  • Bernd Schröder
  • Lesedauer: 5 Min.

In ausgesuchten Restaurants der Vereinigten Staaten gibt es seit einem Jahr einen neuen Renner zu verkosten: den Impossible Burger des Biotech-Start-up-Unternehmens Impossible Foods, eine Art Veggie-Burger, der blutet, wenn man hineinbeißt. Die Trend-Bratlinge haben ein großes Medienecho ausgelöst, in deren Zentrum Firmengründer Patrick O. Brown steht. Der Stanford-Biochemiker konnte für die »Fleisch«-Werdung seiner Idee Risikokapitalgeber anziehen, die von der Technologie hinter dem Burger überzeugt und von dessen Datenblatt begeistert sind. Demnach werden 95 Prozent weniger Land und 74 Prozent weniger Wasser für die Herstellung benötigt als bei einem herkömmlichen Burger, außerdem entstünden 87 Prozent weniger Treibhausgase. Das Produkt soll mehr Protein und weniger Fett und Kalorien als sein fleischliches Gegenstück enthalten - und frei sein von Cholesterin, synthetischen Hormonen, Antibiotika und Schlachtverunreinigungen. Nun will die Firma die Produktion des Burgers ausdehnen. Im März 2017 hatte das Unternehmen eine erste größere Fabrik in Kalifornien angekündigt, die monatlich 500 Tonnen Fleischersatz produzieren soll. Denn Pat Brown hat eine Vision: Sollten in 50 Jahren noch Burger gegessen werden, sind die nicht mehr aus Rinderhack. Sondern vielleicht aus pflanzlichen Proteinen und Leghämoglobin.

Das Häm-Protein wird als charakterbildender Hauptinhaltsstoff der »Geheimsauce« des Burgers beworben. Die evolutionsbiologisch gesehen mit Myoglobin (dem roten Farbstoff in den Muskeln) und Hämoglobin verwandte Substanz kommt in der Natur zum Beispiel in den Wurzelknöllchen der Sojapflanze vor, wenn die Wurzel durch Stickstoff fixierende Knöllchenbakterien infiziert wurde. Die Struktur ist der anderer Häm-Proteine ähnlich. Und wie der Blutfarbstoff kann Leghämoglobin Sauerstoff reversibel binden.

Doch anstatt das Leghämoglobin aufwendig aus den Wurzeln von Soja oder anderen möglichen Trägerpflanzen zu extrahieren, bedient sich Brown nur des Gens, das für die Codierung des Häm-Proteins zuständig ist, und baut es in die Hefe Pichia pastoris ein, die in der Biotechnologie gern zur Herstellung organismusfremder Proteine verwendet wird. Durch Fermentation lassen sich dann große Mengen Leghämoglobin herstellen. Das Protein wird dann isoliert und zum Impossible Burger verarbeitet. Weizen-, Kartoffel- und Sojaproteine geben ihm einen fleischartigen »Biss« und seine Textur. Dazu werden sie pulverförmig mit Wasser und einem Schuss Kokosfett versetzt und im Extruder abwechselnd erhitzt und wieder heruntergekühlt, bis sich die gewünschte plastische Konsistenz einstellt - ganz wie bei der Herstellung von Biokunststoffen.

Doch die innovative Zutat macht nun Probleme. Das geht aus Dokumenten hervor, die im Rahmen einer Anfrage von den kanadischen Umweltschützern der ETC-Gruppe und anderen Umwelt- und Verbraucherorganisationen eingeholt wurden, die sich dabei auf den Freedom of Information Act beriefen.

Die US-amerikanische Behörde für Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit (FDA) ist in den USA für die Überwachung von Nahrungsmittelzusätzen zuständig. Eine Klausel in der Gesetzgebung regelt Ausnahmen: Unternehmen können ihre Produkte von der FDA ungeprüft verkaufen, wenn sie als sicher angesehen werden, eine Zulassung durch die FDA ist für solche Zutaten nicht extra erforderlich. Eigentlich als Ausnahme zur Vermeidung unnötiger Bürokratie für Stoffe gedacht, die bereits seit langer Zeit problemlos in der Ernährung genutzt werden, weisen Kritiker seit einiger Zeit darauf hin, dass manche Unternehmen so eine eigentlich notwendige Produktbewertung durch die FDA umgehen. Unternehmen können gleichzeitig bei einschlägigen Labors Tests in Auftrag geben, um sich selber von der Unbedenklichkeit ihrer Produkte zu überzeugen, doch sie sind nicht verpflichtet, die Behörde über die Ergebnisse zu informieren. Doch täten sie es und die FDA segnet die Ergebnisse ab, käme das einer exzellenten Werbung für das Produkt gleich, und diese Gelegenheit wollte man sich auch bei Impossible Foods nicht entgehen lassen.

Im Falle des fleischähnlichen Burgers ließ sich die FDA jedoch nicht restlos überzeugen: Die Untersuchungen zum allergenen Potenzial etwa seien mangelhaft. Bei Impossible Foods sieht man das anders: Das Produkt sei unbedenklich im Verzehr und entspreche allen FDA-Anforderungen. Aus Sicht des Unternehmens ist das Soja-Leghämoglobin anderen täglich weltweit konsumierten Proteinen »im Wesentlichen ähnlich«. Die Behörde bezweifelt ihrerseits, dass der vorliegende Protein-Mix - geschichtlich gesehen - jemals zuvor auf dem menschlichen Speiseplan stand. Nun tauche er im Burger auf, ohne dass es Gewissheit darüber gibt, ob der Verzehr Probleme bereiten könne oder nicht. Und mehr noch: Das Fermentationsprodukt besteht zu 73 Prozent aus Soja-Leghämoglobin - im verbleibenden Viertel wurden 46 andere, zum Teil noch nicht einzeln identifizierte Proteine entdeckt. Die Geheimzutat ist so geheim, dass nicht einmal der Hersteller genau weiß, was darin enthalten ist. Und obwohl Impossible Foods mit den Farbeigenschaften seines Kunst-Häms wirbt, hat das Unternehmen keine FDA-Zulassung als Farbstoffzusatz beantragt, die schärferen Sicherheitsbestimmungen unterliegt.

Laut FDA bieten die von Impossible Foods gelieferten Daten keine Garantie für die Unbedenklichkeit des Verzehrs von Soja-Leghämoglobin. Das Unternehmen kann den Burger trotz der FDA-Befunde jedoch weiterhin verkaufen, da die Behörde nicht mit Sicherheit sagen kann, dass der Genuss von Soja-Leghämoglobin bedenklich ist. Bei begründeten Verdachtsmomenten könnte die Behörde geeignete Schritte zum Schutz der Gesundheit der Konsumenten einleiten.

Die für Interessenkonflikte anfällige Praxis der Regulierung von Nahrungsmittelzusatzstoffen in den USA ist mittlerweile in die Kritik geraten. Impossible Foods beispielsweise hatte Sachverständige mit den freiwilligen Unbedenklichkeitstests betraut, die schon für Monsanto, Philip Morris und die Bill-Gates-Foundation gearbeitet haben oder in Verbindung zu diesen stehen. Drei von ihnen gelten als beliebte Anlaufstellen der Industrie, wenn es um eine Charakterisierung als sicher im Sinne der FDA geht.

Eine großflächige Durchdringung des Marktes mit neuer Hightech-Nahrung von Food-Start-ups ist bisher ausgeblieben, die Szene ist noch relativ übersichtlich. Doch längst gären in den Versuchsbottichen der Biotech-Start-ups der Vereinigten Staaten neue Produkte. Neben Impossible Foods haben es bisher Beyond Meat auf den Markt geschafft, mit dem Beyond Burger aus Erbsenprotein, und Hampton Creek, mit pflanzenbasierten Brotaufstrichen und Salatdressings in den Läden und aus tierischen Zellen gezüchteten Fleisch- und Fischprodukten bereits in der Laborplanung.

Auffällig viele Silicon-Valley-Veteranen haben eine Rolle als Kapitalgeber übernommen. Während die Softwareindustrie ihrer Marktsättigung entgegengeht, sehen sie sich nach neuen, potenziell einträglichen Betätigungsfeldern um. Wie Microsoft-Gründer Bill Gates und Sun Microsystems-Mitbegründer Vinod Khosla, die über Investitionen bei Impossible Foods beteiligt sind.

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