Kann ick bessa

  • Lesedauer: 3 Min.

Alle mögen Pizza. Pizza ist Liebe. Pizza ist unter den Nahrungsmitteln das, was Bilder von kleinen, süßen Knuddelkätzchen im Internet sind. »Wer Hunde und kleine Kinder hasst, kann kein ganz schlechter Mensch sein«, sagte der große W.C. Fields einmal. Ich aber sage euch: Wer keine Pizza und keine Kätzchenbilder mag, kann nur ein schlechter Mensch sein.

Nun ist es aber in Berlin - wenigstens für den, der nicht 25 bis 50 Euro für ein Mittagsgericht ausgeben kann - mit Pizza leider so wie mit nahezu allem, was in dieser Stadt zum Verzehr angeboten wird: Man hat der Sache eine international bekannte Bezeichnung gegeben, mit der man das Vertrauen des ahnungslosen Gasts erschleichen will (zum Beispiel »Pizza«), doch tatsächlich verbirgt sich hinter dem Ding, das »Pizza« heißt, ein schwarzverbrannter, geruchloser flacher Klumpen mit einem amorphen Belag, der nicht nur aussieht, sondern auch so schmeckt wie eine Mischung aus Analogkäse, bis zur Unkenntlichkeit zerkochtem grauen Dosengemüse, der berüchtigten Berliner »Cervelatwurst« und frisch Erbrochenem.

Hier haben wir es also zu tun mit der klassischen Berliner Neigung zu Größenwahn und Selbstüberschätzung bei gleichzeitiger kompletter Unkenntnis und Unfähigkeit. »Dit kann ick bessa!«, tönt der Berliner bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit, dabei kann er de facto gar nichts. Das Einzige, was der Berliner kann, ist: ein großes Mundwerk haben. Der Berliner ist schamlos. Und frech, wie er ist, nennt er in seiner Stadt hergestelltes »Brot« Brot und ebendort produziertes »Bier« Bier, dabei weiß er insgeheim, dass die ungenießbaren Rückstände der Experimente, die er täglich mit Getreide, Wasser, Mehl und anderen, uns derzeit noch unbekannten Zutaten veranstaltet, mit dem Brot und dem Bier, die diese Bezeichnungen verdienen, nichts gemein haben.

Genauso ist es mit der Pizza. Als »Pizza« wurde mir und anderen in dieser Stadt schon vieles verkauft, und eines der unter diesem Namen erworbenen Erzeugnisse erwies sich jeweils als grässlicher als das andere. Und immer wieder taucht auf dieser »Pizza« auch, verschlagen und arglistig, wie aus dem Nichts kommend, die berüchtigte Berliner Cervelatwurst auf. Im Supermarkt hat logischerweise kein empfindendes Wesen sie erworben. Da war sie, achtlos in den hintersten Regalwinkeln zurückgelassen, zum jahrelangen stillen, würdelosen Dämmern in ihrer Plastikverpackung verurteilt. Dort wollte sie aber nicht länger sein. Weswegen sie sich auf heimtückische Weise ihren Weg auf die Berliner »Pizza« bahnt. Damit dürfte das Elend, das uns umgibt, umfassend beschrieben sein.

Doch wo Elend bzw. Gefahr ist, wächst auch das Rettende, wie wir von Hölderlin wissen. Oder, wie meine Mutter zu sagen pflegte: »Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.« In Friedrichshain gibt es ein kleines, beinahe winziges, wunderschönes italienisches Lokal, das die perfekte, praktisch nicht mehr verbesserungsfähige Pizza der Stadt verkauft. Aber natürlich werde ich den Teufel tun und allen mitteilen, wo es ist.

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