Amokläufer von München war wohl rechter Terrorist

Gutachter wiedersprechen Einschätzung des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz

  • Lesedauer: 2 Min.

München. Drei von der Stadt München beauftragte Gutachter bewerten den Amoklauf in München vom 22. Juli 2016 mit neun Toten offenbar als politisch motivierte Tat aus dem rechten Spektrum. Wie »Süddeutsche Zeitung« und WDR am Mittwoch berichteten, spricht einer der Gutachter von Rechtsterrorismus.

Die Gutachter kommen damit zu einem anderen Ergebnis als die bayerische Staatsregierung und die Ermittlungsbehörden, die die Tat von David S. als unpolitischen Amoklauf einstufen.

So erklärte bisher etwa das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz, S. gelte als »psychisch kranker Rächer«, wobei seine durchaus bekannte rechte Gesinnung aber nie im Vordergrund gestanden habe. »Es ist nicht davon auszugehen, dass die Tat politisch motiviert war«, behaupteten Staatsanwaltschaft und das LKA in ihrem Abschlussbericht.

Die Stadt München hat Christoph Kopke, Matthias Quent und Florian Hartleb beauftragt, den rechtsradikalen Hintergrund von S. zu klären. Ihre Analysen wollen sie am Freitag im Münchner Rathaus präsentieren.

Am 22. Juli 2016 erschoss der 18-jährige David S. acht Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren sowie eine 45-jährige Frau, bevor er sich selbst tötete. Der Amoklauf versetzte München für mehrere Stunden in einen Ausnahmezustand.

Für die drei Forscher ist laut »Süddeutscher Zeitung« und WDR die Opferauswahl des Täters entscheidend. David S. ermordete ausschließlich Menschen, die aus Einwandererfamilien stammten. Zudem sei die Tat am Jahrestag des Attentats des norwegischen Rechtsterroristen Anders Breivik geschehen, den S. als Vorbild ansah. S. habe nicht an seiner eigenen Schule gemordet, er kannte keines der Opfer. Er habe aber gewusst, dass am Tatort nahe dem Olympia-Einkaufszentrum viele Menschen mit Migrationshintergrund anzutreffen sind. Dass er selbst iranische Eltern habe, spiele keine Rolle. Durch die Abwertung von Migranten habe sich S. als »echter Deutscher« gesehen. So habe S. kurz bevor er sein letztes Opfer erschoss, geschrien: »Ich bin kein Kanake, ich bin Deutscher!«

Die Forscher haben laut Medienberichten die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft ausgewertet. Anders als die Behörden kommen zwei der Gutachter zu dem Schluss, dass es sich um ein Hassverbrechen handle. Die Kriterien des polizeilichen Definitionssystems (PMK) für rechte Straftaten würden erfüllt. Die Behörden vernachlässigten die rassistische Dimension der Tat, so die Gutachter. Der dritte Forscher komme zudem zum Ergebnis, dass es sich bei S. um einen sogenannten Einsamen-Wolf-Terroristen handeln könnte. Die Ermittler hätten auch Acht gelassen, dass S. seine Tat lange und akribisch vorbereitet habe. Der junge Mann sei »ein Produkt der Selbstradikalisierung«. Agenturen/nd

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