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Frauen sind stärker von Armut betroffen

Wohlfahrtsverbände und Hilfsorganisationen fordern intensiveren Kampf gegen Nöte von Frauen in Deutschland

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Frauen in Deutschland sind laut der Nationalen Armutskonferenz sowohl in jungen Jahren als auch im Alter weiterhin deutlich stärker armutsgefährdet als Männer. Für Männer betrage das Armutsrisiko 15,1 Prozent, bei Frauen seien es 16,3 Prozent, sagte die Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz, Barbara Eschen, am Montag in Berlin.

Dieser Unterschied habe schwerwiegende Hintergründe, kritisierte auch die Direktorin der Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Frauen kümmerten sich um die Kinder, pflegten Angehörige und arbeiteten oft nebenbei auch ehrenamtlich mit in der Kita oder Schule, im Sport und in sozialen Initiativen. Sie brächten somit über die Hälfte mehr Zeit unentgeltlich in die Sorgearbeit ein als Männer. »Als Dank ernten sie schlechte Rückkehrchancen in den Beruf, prekäre Arbeitsverhältnisse und deutlich geringere Renten«, sagte Eschen.

2016 habe die Durchschnittsrente bei einer Frau 617 Euro betragen, die eines Mannes 1043 Euro. Seien Frauen dann noch alleinerziehend - und neun von zehn Alleinerziehenden seien Frauen - entkämen sie der Armut nur schwer. Knapp 44 Prozent der Alleinerziehenden sind den Angaben zufolge von Armut betroffen.

Zwei Drittel der ausschließlich geringfügig Beschäftigten seien Frauen, kritisierte die Sozialwissenschaftlerin Gisela Notz. Auch 90 Prozent der pflegenden Angehörigen seien Frauen, sie erhielten überhaupt keinen Lohn, sehe man »vom völlig unzureichenden Pflegegeld mal ab«. Die bereits jetzt eklatante Altersarmut von Frauen, werde in den kommenden Jahren durch die Ausbreitung von prekären Arbeitsverhältnissen noch weiter zunehmen.

Die Ursache für diese Entwicklung sieht Notz darin, dass sich das Recht auf eigenständige Existenzsicherung für Frauen in Deutschland, egal in welchen Zusammenhängen sie leben, noch nicht durchgesetzt habe. »Die Tatsache, dass Arbeitsmarkt-, Familien-, Wohnungsbau- und Sozialpolitik immer noch an einem Familienmodell orientiert sind, das einen Haupternährer und eine Zuverdienerin vorsieht, verdrängt Frauen aus dem regulären Arbeitsmarkt in prekäre oder unbezahlte Beschäftigungsverhältnisse«, kritisierte die Sozialwissenschaftlerin.

Die Nationale Armutskonferenz, ein Zusammenschluss von Spitzenverbänden der Wohlfahrtspflege, Gewerkschaften, Fachverbänden und Selbsthilfeorganisationen, rief dazu auf, Armut von Frauen in Deutschland nicht länger hinzunehmen. Nötig seien mehr Vollzeitjobs für Frauen und gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Zudem müssten Berufe, in denen vorwiegend Frauen tätig sind wie beispielsweise im Einzelhandel oder im Sozial- und Gesundheitswesen, dringend finanziell aufgewertet werden. Auch dürfe Kindererziehung und Pflege nicht länger die Ursache dafür sein, in Armut zu geraten.

Die Verbände forderten einen »angemessenen Familienlastenausgleich« im Steuer-, Sozial- und Familienrecht. Das Ehegattensplitting müsse durch eine Individualbesteuerung mit einem übertragbaren Grundfreibetrag ersetzt und eine neue bedarfsdeckende einheitliche Geldleistung für alle Kinder geschaffen werden. Agenturen/nd

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