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Vom Sehen und Riechen
Johanna Treblin über Komplimente und Sexismus
Sawsan Chebli ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort, sitzt auf dem richtigen Platz. Er ist für die Staatssekretärin reserviert: also für sie. Leider wusste das der Gastgeber der Jahreshauptversammlung der Deutsch-Indischen Gesellschaft nicht, auf der sie eine Rede halten sollte. Der Gastgeber, oben auf dem Podium, erkennt sie nicht als Staatssekretärin. »Ich habe keine so junge Frau erwartet. Und dann sind Sie auch so schön.« Chebli nennt den Vorfall sexistisch. In der Folge wird sie in sozialen Netzwerken rassistisch beschimpft. Andere wundern sich: Das sei doch ein Kompliment!
Man stelle sich einmal vor, der Gastgeber hätte zu Chebli Folgendes gesagt: »Mhh, du riechst so unglaublich gut.« Laut einer Umfrage eines Männermagazins ist das ein Kompliment, das Frauen gerne hören. Aber von wem und in welchem Zusammenhang?
Der Skandal ist nicht, dass Chebli den Vorfall öffentlich gemacht hat. Der Skandal ist, dass fünf Jahre nach dem Aufschrei über Rainer Brüderles Dirndl-Bemerkung Männer eines noch immer nicht kapieren: Dass ein Kompliment, das der Ehemann seiner Frau, der Liebhaber seiner Liebhaberin, der Freund seiner Freundin macht, zwischen Arbeitskollegen oder Fremden auf der Straße eben keines ist, sondern: sexistisch.
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