Schweizer Spion vor Gericht

Daniel M. forschte im Auftrag des Geheimdienstes die NRW-Finanzverwaltung aus

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Peer Steinbrück wollte einmal die Kavallerie in die Schweiz schicken. Kurz zuvor hatte die OECD die Eidgenossen auf ihre »schwarze Liste« der Steueroasen gesetzt. Daraufhin versprach die Schweiz, ihr Bankgeheimnis bei Steuerhinterziehung zu lockern und künftig die internationalen Standards der OECD zu befolgen. Dieses Einlenken führte Bundesfinanzminister Steinbrück vor acht Jahren »umgangssprachlich formuliert« auf die siebte Kavallerie im Fort Yuma zurück. Die müsse nicht unbedingt ausreiten. »Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt.«

Die Schweiz war besonders bei deutschen Steuerhinterziehern jahrzehntelang überaus beliebt. Aber dann tauchten immer mehr CDs mit heiklen Daten bundesdeutscher Staatsbürger auf. Sie waren Schweizer und Liechtensteiner Banken entwendet worden - und wurden von den Behörden in Deutschland gekauft. Vor allem von Nordrhein-Westfalen. Die Datensätze sollen dem Fiskus nach Angaben des damaligen NRW-Finanzministers Norbert Walter-Borjans bis zu sieben Milliarden Euro eingebracht haben. Das prominenteste »Opfer«: Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel, der allerdings mit einer Bewährungsstrafe davonkam.

Nach der Steinbrück-Attacke scheint man in Berner Regierungskreisen selber auf Angriff umgeschaltet zu haben. Um die Datenlecks zu schließen, schickte man den Spion Daniel M. nach Deutschland. Seit Mittwoch muss er sich deswegen vorm Oberlandesgericht in Frankfurt am Main verantworten. Die deutsche Bundesanwaltschaft wirft dem Schweizer Staatsbürger vor, von Juli 2011 bis Februar 2015 für den eidgenössischen Nachrichtendienst NDB die Finanzverwaltung des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen ausgespäht zu haben.

Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, persönliche Daten von drei Steuerfahndern beschafft zu haben, die mit dem Ankauf von Steuer-CDs befasst gewesen waren. Dazu soll der Spion einen Detektiv angeheuert haben und einen sogenannten Maulwurf in der Finanzverwaltung platziert haben. Der Angeklagte habe dafür von seinen »nachrichtendienstlichen Auftraggebern« Geld bekommen. Für seine Spionagetätigkeit soll Daniel M. mehr als 100 000 Euro erhalten haben, die er teilweise an seine Geschäftspartner weitergeleitet habe.

Der Ende April festgenommene vermeintliche Agent könnte mit einer Bewährungsstrafe davonkommen. Bedingung dafür sei aber ein »glaubhaftes« Geständnis, sagte der Senatsvorsitzende Oberlandesgericht, Josef Bill. Bezüglich der Spionage rund um die Steuer-CDs hatte Daniel M. bereits vor dem Prozess ein Teilgeständnis abgelegt. Der schwerwiegendere Vorwurf, der 54-Jährige habe einen maulwurf in Düsseldorf aufgebaut, wird von den Verteidigern bestritten.

Nach der Anklageerhebung kündigte Daniel M. eine Aussage an. Zudem signalisierte die Verteidigung Interesse an einem kurzen Verfahren. Die Prozessbeteiligten zogen sich daraufhin zu einem Rechtsgespräch zurück, die Verhandlung wurde zunächst unterbrochen. Im Vorfeld des Prozesses war das auch international viel beachtete Verfahren zunächst bis Mitte Dezember angesetzt. Bis zum nächsten Verhandlungstermin am 26. Oktober will der Angeklagte nun eine schriftliche Erklärung abgeben. Er will dann auch Fragen beantworten.

Die Informationen des Spions sollen dazu beigetragen haben, dass in der Schweiz die strafrechtliche Verfolgung deutscher Steuerfahnder möglich wurde. So ermittelt die Schweizer Bundesanwaltschaft seit einigen Jahren gegen mehrere nordrhein-westfälische Steuerfahnder wegen des Vorwurfs der nachrichtendienstlichen Wirtschaftsspionage und der Verletzung des Bankgeheimnisses. Gegen drei deutsche Steuerfahnder gibt es Haftbefehle.

Die Regierung der »Indianer«, der Bundesrat in Bern, hat den Einsatz von Spionen im August gerechtfertigt - »in diesem Fall von Spionageabwehr«. Das Einholen von Informationen sei bei einer strafrechtlichen Untersuchung »üblich«, umso mehr wenn die internationale polizeiliche Zusammenarbeit und Rechtshilfe nicht möglich sei. Doch so richtig rund lief die Berner Attacke nicht: Seit 2015 ermittelt auch die Schweizer Bundesanwaltschaft gegen Daniel M. Er soll Kundendaten von schweizer Banken gestohlen haben.

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