Programmierte Verelendung

CDU und CSU wollen trotz Kritik und schlechter Erfahrungen bundesweit Abschiebelager einführen

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

In Bayern gibt es mittlerweile zwei von ihnen. Euphemistisch werden sie als »Transitzentrum« bezeichnet. Die Rede ist von Abschiebelagern für Geflüchtete, die nach der geltenden Rechtslage eine geringe Chance haben, in Deutschland bleiben zu dürfen. In die bayerischen Zentren in Manching bei Ingolstadt und in Bamberg werden Menschen untergebracht, die entweder aus einem der »sicheren Herkunftsländer« kommen oder nach den Dublin-III-Regelungen zurück in das EU-Land müssen, in dem sie zuerst angekommen sind.

Die Geflüchteten in Manching und Bamberg werden in Mehrbettzimmern untergebracht. Für sie gilt eine verschärfte Residenzpflicht, was bedeutet, dass sie den Landkreis beziehungsweise die Stadt nicht verlassen dürfen. Sozialleistungen werden als Sachleistungen ausgezahlt, und die Kinder in den Lagern gehen dort in spezielle Klassen und dürfen keine regulären Schulen besuchen. Für den bayerischen Flüchtlingsrat wird in den Lagern ein klares Ziel verfolgt: »Manching und Bamberg wurden als knallharte Abschiebelager für Flüchtlinge aus ›sicheren Herkunftsländern‹, aber auch aus Afghanistan, Nigeria und der Ukraine, geschaffen«, sagte Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrates. »Hier werden Flüchtlinge in Asylschnellverfahren abgefertigt und mit widerwärtigen Lebensbedingungen massiv unter Druck gesetzt, so schnell als möglich wieder auszureisen - entweder freiwillig oder mit Polizeibegleitung im Abschiebeflieger.«

Während Geflüchtete in regulären Erstaufnahmeeinrichtungen höchstens sechs Monate verbringen müssen, ist es in Manching und Bamberg anders. Dort können die Menschen unbegrenzt lange untergebracht werden. Das erklärte Ziel ist zwar eine schnelle Bearbeitung der Fälle, aber das klappt nicht immer. Behörden in den Herkunftsländern sind bei der Bestätigung von Identitäten oder der Bereitstellung von Papieren oft langsam. Wenn ein Geflüchteter gegen einen Ausreisebescheid klagt, kann das ein Jahr dauern. Zeit, die die Menschen in Containern oder alten Kasernengebäuden verbringen müssen. Integrationsmaßnahmen finden kaum statt.

Joachim Herrmann, Innenminister von Bayern sieht das anders. Dem BR sagte er neulich: »Wir haben sehr positive Erfahrungen gemacht mit den beschleunigten Verfahren in Manching und in Bamberg und vor allen Dingen, alle Behörden dort zu konzentrieren.« Weiter argumentiert der CSU-Mann, dass es keinen Sinn mache, die Geflüchteten im ganzen Land zu verteilen, um sie später »einsammeln« und in ihre Heimatländer zurückbringen zu können. Dies müsse in ganz Deutschland geändert werden.

Gegenüber der CDU hat sich der bayerische Innenminister schon durchgesetzt. Die »Ausreise- oder Transitzentren« sollen in den Koalitionsverhandlungen thematisiert werden. Alexander Thal kritisierte diese Pläne scharf: »Diese Lager sind menschenverachtend und gehören dringend abgeschafft. Keinesfalls taugen sie als Modellprojekte für eine Neuausrichtung der Erstaufnahmeeinrichtungen. Wir appellieren eindringlich an Grüne und FDP, diese kombinierten Einreise- und Abschiebelager auf keinen Fall zu akzeptieren!«

Kritik an der Praxis der »Ausreisezentren« gibt es auch von ganz anderer Seite. In Nordrhein-Westfalen gibt es ebenfalls Modellversuche, Geflüchtete mit geringer Perspektive in Deutschland zu bleiben, in speziellen Zentren unterzubringen. Zum Beispiel in Sankt Augustin. Auf einem ehemaligen Kasernengelände, das als normale Flüchtlingsunterkunft diente, richtete das Land NRW im Februar ein Ausreiselager für Dublin-Geflüchtete ein, nach bayerischem Vorbild.

In der Stadtverwaltung von Sankt Augustin ist man froh, dass das Pilotprojekt, nach wenigen Monaten beendet wurde. Mit dem Abschiebezentrum gab es viel Ärger. Oft wurde lautstark Alkohol konsumiert, und Menschen versteckten sich in nahe gelegenen Wäldern und Parks, da sie Angst vor ihrer Abschiebung hatten. Anwohner waren genervt vom »Ausreisezentrum«. Für Organisationen wie Pro Asyl ist das kein Wunder: »Durch Dauerinternierung und Sachleistungsgewährung in Verbindung mit einer großen Zahl von Untergebrachten sind Verelendung und Stigmatisierung programmiert«, heißt es in einer aktuellen Meldung zu den Plänen von CDU und CSU, die Abschiebelager bundesweit einzuführen.

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