Mehr Spaß oder mehr Schmerz?

Weltcupauftakt in Sölden: Im Riesenslalom soll der neue Ski sowohl Fahrer als auch Zuschauer begeistern

  • Elisabeth Schlammerl, Sölden
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn die Experten des Internationalen Skiverbandes FIS Änderungen beschließen, geht es in der Regel entweder um wirtschaftliche Interessen oder um das Wohl der Athleten. Manchmal passt beides nicht zusammen, schließt sich gar aus. Auch im Fall der jüngsten Reglementanpassung der Fis steht noch nicht ganz fest, ob es tatsächlich der Sicherheit dient. Beim Auftakt des alpinen Weltcup-Winters in Sölden treten die Männer am Sonntag mit neuen Riesenslalom-Skiern an, die zwei Zentimeter kürzer sind als bisher und einen um fünf Meter engeren Radius aufweisen. Die Skier können deshalb mit geringerem Kraftaufwand um die Kurve gesteuert werden - das erhöht nicht nur für die Athleten den Spaßfaktor, sondern wirkt auch für den Zuschauer ästhetischer und attraktiver. »Ich trauere den alten Skiern nicht nach. Ich habe viel auf ihnen gewonnen, aber ich bin definitiv happy über die neuen«, sagt Ted Ligety aus den USA, Olympiasieger und dreimaliger Weltmeister in der Disziplin.

Es ist eine leichte Korrektur der radikalen Materialänderung von vor fünf Jahren. Damals war die Mindestlänge der Ski um zehn Zentimeter nach oben gesetzt worden, von 1,85 auf 1,95 Meter, der Radius von 27 auf 35 Meter erhöht worden, um die Kräfte zu verringern, die in der Kurve auf die Fahrer wirken - oder besser auf die Knie der Fahrer und somit die Gefahr von Bänderverletzungen zu reduzieren. Von den Athleten hatte es damals heftige Kritik gegeben, sie nannten die neuen Vorschriften »Rückschritt«.

Bänder- und Meniskusverletzungen sind tatsächlich leicht zurückgegangen, aber die Athleten plagten zunehmend Rückenbeschwerden, weil der erhöhte Kraftaufwand, der nötig war, um die Ski um die Kurve zu bekommen, auf den Rumpf wirkte. »So viele Jungs hatten Probleme wegen der alten Skier. Die neuen werden unseren Körpern langfristig besser tun«, glaubt Ligety. Dem Rücken schon, entgegnet Felix Neureuther, »aber ich denke, dass es wieder mehr Knieverletzungen geben wird«.

Der beste deutsche Skirennläufer gehörte sportlich zu den Profiteuren der Reform von 2012. Mit dem neuen Material schaffte der heute 33-Jährige den Sprung in die Riesenslalom-Weltelite. Obwohl auch er seit Jahren unter Rückenbeschwerden leidet, befürwortet er die neue Anpassung nicht uneingeschränkt, vor allem, dass die FIS sie in einer Olympiasaison vorgenommen hat, kritisiert der frischgebackene Vater. Er befürchtet aber auch, nicht mehr ganz vorne mithalten zu können. »Mit den alten Skiern konnte ich die Erfahrung ausspielen.« Weil es nun einfacher sei, um die Kurve zu fahren, »ist es für mich schwieriger, schnell zu sein.« Die FIS hat die Materialanpassung auch damit begründet, dass die Skier für die jungen, womöglich noch nicht so athletischen Fahrer kaum zu fahren gewesen sein. Jetzt, hat auch Neureuther festgestellt, »knüppeln die da jetzt brutal runter«. Ob die Konkurrenz tatsächlich größer wird, könnte sich schon am Sonntag zeigen. Der Auftakt ist in Abwesenheit des Besten, Marcel Hirscher aus Österreich, eine erste Standortbestimmung.

Der deutsche Männer-Cheftrainer Mathias Berthold sieht bisher mehr Nach- als Vorteile. »Ich weiß nicht, ob wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.« Als einziger Coach hatte er sich gegen die Materialanpassung ausgesprochen. Ihm fehlten wissenschaftliche Untersuchungen. »Wir wissen ja gar nicht, was genau passiert, wenn wir die Ski zwei Zentimeter kürzer und machen und den Radius um fünf Meter verringern.« Mit Sorgen verfolgte er die Kreuzbandverletzungen beim Riesenslalomtraining in den vergangenen Wochen. Während Berthold beim Schweizer Carlo Janka einen Fahrfehler verantwortlich macht, seien bei Benedikt Staubitzer aus Mittenwald und dem jungen Österreicher Daniel Meier die Bänder im Schwung und ohne Sturz gerissen. »Man will den Teufel nicht an die Wand malen«, sagt Berthold. »Aber ich hoffe, dass ich falsch liege.«

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