UNESCO in Finanznöten

Auf der Generalkonferenz in Paris werden Antworten auf den Austritt der USA gesucht

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Herausforderungen sind extrem, die UNESCO steckt in ihrer größten Krise in ihrer Geschichte. Und nun, nicht einmal einen Monat nach dem demonstrativ angekündigten Austritt der USA und Israels, der mit der »israelfeindlichen Haltung« der Weltorganisation begründet wurde, beginnt am Montag in Paris deren Generalkonferenz.

Am Pariser Sitz der UN-Spezialorganisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur steht die neue Generaldirektorin, die ehemaligen französische Kulturministerin Audrey Azoulay, deren kürzlich erfolgte Wahl durch den UNESCO-Exekutivrats jetzt noch durch die Generalkonferenz bestätigt werden muss, vor großen Herausforderungen. Zwar soll der Rückzug der USA, die 1945 zu den Gründern der Weltkulturerbeorganisation gehörten, erst Ende 2018 wirksam werden - und Washington will sich mit dem Beobachterstatus einen Klappsitz in Paris bewahren - doch der Verlust der US-Mitgliedsbeiträge, die rund ein Viertel des Budgets ausmachen, ist ein schwerer Schlag.

Der Streit der USA mit der UNESCO ist allerdings nicht neu und fast immer ging es dabei um den Nahostkonflikt. Als die UNESCO 1982 die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO anerkannte und ihr einen Beobachterstatus zubilligte, haben die USA unter Präsident Reagan erst ihre Beiträge eingestellt und sind dann 1984 aus der Organisation ausgetreten. Erst beinahe zwei Jahrzehnte später trat sie unter Präsident George W. Bush 2002 wieder ein. Großbritannien trat 1985 aus, weil London wegen der von der UNESCO beschlossenen Weltinformations- und Kommunikationsordnung Sorgen um die Pressefreiheit hatte, und kehrte erst 1997 zurück.

Als Ende 2011 die Mehrheit der 195 Mitgliedsländer die Aufnahme Palästinas als Vollmitglied beschloss - wobei Frankreich dafür und Deutschland dagegen votierte - reagierte Washington umgehend mit einer Reduzierung seiner Beitragszahlungen. Die Schulden der USA bei der Weltkulturerbeorganisation haben sich bis heute auf 542 Millionen Dollar summiert. Zum Vergleich: Der Haushalt der Organisation für das Finanzjahr 2016/17 weist theoretisch 653 Millionen Dollar aus, denen auf der Einnahmenseite aber nur 518 Millionen Dollar gegenüberstehen.

Mit dem neuerlichen Austritt der USA dürfte die Finanzkrise der UNESCO dramatische Formen annehmen. Mit den verbleibenden Mitteln kann zwar der laufende Betrieb aufrechterhalten werden, aber viele langfristig geplante Projekte, vor allem in Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, müssen wohl aufgeschoben oder ganz abgesagt werden. Der Rückgriff auf Sponsoren, bei denen es sich meist um internationale Konzerne oder reiche Länder etwa aus der Golfregion handelt, ist keine Lösung von Dauer, denn dadurch würde sich die Organisation über kurz oder lang in eine unheilvolle Abhängigkeit von fremden Interessen begeben.

Die Lösung liegt sicher nur in einer gründlichen Reform der Organisation, der die USA auch »Verschwendung« und »Misswirtschaft« vorwerfen, mit dem Ziel einer kostensparenden Verschlankung ihrer Strukturen. Für einen großen Teil der Projekte wird man nicht umhin kommen, von den an den jeweiligen Zielen interessierten Mitgliedsländern finanzielle Zuwendungen zu erbitten, die über die normalen Mitgliedsbeiträge hinausgehen.

Doch die aktuellen Probleme der UNESCO sind nur Ausdruck der Krise, die auf mehr und mehr internationale Organisationen übergreift, die mit großen Idealen und Ambitionen gestartet sind und sich dann mit den Jahren in internen Querelen und in nationalen wie regionalen Interessenkonflikten festgefahren haben. Das ganze Modell dieser Organisationen ist unter Beschuss geraten und ihre Zukunft steht auf dem Spiel. Vor allem die USA, aber nicht nur sie, reagieren immer verärgerter auf Mehrheitsbeschlüsse der UNO oder ihrer Spezialorganisationen, in denen das Prinzip »ein Staat, eine Stimme« gilt und wo sich eine Vielzahl kleiner und armer Entwicklungsländer zu Zweckbündnissen gegen die Absichten der USA oder anderer mächtiger Industriestaaten zusammenschließen und so Einfluss ausüben können. Daher der Erfolg der G7- oder G8-Gipfel der entwickelten Industriestaaten, die zusammen 60 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts repräsentieren, oder der G20-Gipfel, die auch noch die wichtigsten »Schwellenländer« einschließen und es so auf 90 Prozent des Welt-BIP bringen.

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