Konzentration statt Wahlfreiheit

Fusionen in der Lebensmittel- und Agrarbranche haben negative Auswirkungen auf Verbraucher und Beschäftigte

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Kritische Verbraucher haben es immer schwerer beim Lebensmitteleinkauf. Wer auf Produkte großer Konzerne verzichten will, muss lange suchen, bis er Alternativen findet. Schuld ist die wachsende Konzentration unter Nahrungsmittelherstellern sowie im Einzelhandel. Das zeigen Ergebnisse einer gemeinsamen Studie der Umweltorganisation Friends of the Earth, der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung sowie der LINKEN-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung, die am Dienstag in Brüssel vorgestellt wurde. Die Fusionen großer Konzerne beeinflussten die Wahlfreiheit der Konsumenten beim Essen und wirke sich zudem negativ auf die Arbeitsbedingungen in der Lebensmittel- und Agrarbranche aus, heißt es in dem Papier mit dem Namen »Agrifood Atlas - Facts and figures about the corporations that control what we eat«.

Teilweise seien es nur noch zwei, drei Unternehmen, die die Märkte beherrschten, sagte Mute Schimpf von Friends of the Earth. In der Studie heißt es, unter den 500 weltgrößten Firmen fänden sich sehr viele aus dem Lebensmittel und Agrikulturbereich - und es würden immer mehr. Großfusionen wie die Übernahme des Brauereiunternehmens SAB Miller durch den größten Braukonzern Anheuser-Busch Inbev hätten die Vielfalt auf dem Markt drastisch eingeschränkt. Anheuser-Busch und SAB Miller kontrollieren sieben der größten zehn Biermarken. Für die Marktbeherrschung zahlen Mitarbeiter und Verbraucher den Preis: Die Fusion kostete rund 5000 Arbeitsplätze, kleinere Brauereien haben es immer schwerer, im Wettbewerb mitzuhalten.

Auch bei Babynahrung und Frühstückszerealien wie Cornflakes und Müsli gibt es eine starke Marktkonzentration; über 60 Prozent dieser Warengruppen werden von den vier größten Herstellern produziert. Noch dramatischer zeigt sich der Teemarkt: 80 Prozent von Herstellung und Verkauf werden von drei Konzernen kontrolliert: dem niederländisch-britischen Unternehmen Unilever, der indischen Tata-Gruppe sowie Associated British Foods. Der deutsche Markt für verpackten Tee wird von zwei Familienunternehmen beherrscht: Teekanne und der Ostfriesischen Tee Gesellschaft. Firmen wie Unilever, Danone, Nestlè oder PepsiCo expandieren weltweit, und teilen die Märkte auf - die Chancen für regionale Akteure schwinden.

Die nächste anstehende Fusion könnte dem Konzentrationsprozess die Krone aufsetzen: Mit der für Anfang des kommenden Jahres geplanten Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto durch den deutschen Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer entstünde der weltgrößte Agrochemiekonzern, der einen Großteil des weltweit verkauften Saatgutes sowie der Düngemittel und Pestizide kon- trollieren würde. Derzeit prüfen die EU-Kommission und US-Behörden den Kauf hinsichtlich kartellrechtlicher Bedenken, der Ausgang ist ungewiss. Bayer verkaufte Mitte Oktober sein Geschäft mit Unkrautvernichtungsmitteln und Saatgut an den deutschen Konkurrenten BASF, in der Hoffnung, dass die Einwände der Kartellbehörden dadurch schwinden.

Wer wissen will, wie Konzentrationstendenzen in der Praxis aussehen, braucht sich nur mal die deutsche Supermarktlandschaft anzuschauen: Bereits im Jahr 2013 kontrollierten die fünf größten Lebensmitteleinzelhändler knapp zwei Drittel des Marktes, mit der Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch die beiden größten Konkurrenten, Edeka und Rewe, hat sich die Konzentration noch verschärft. Die Folge könnten steigende Preise und weniger Auswahl für die Kunden sein, warnen Verbraucherschützer.

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