Spitze wird ausgewechselt

Schleswig-Holsteins Polizei kämpft weiter mit Skandal

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Schleswig-Holsteins Polizei ist an einem Tiefpunkt angekommen. Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) vertraut seiner Landespolizeispitze nicht mehr, hat leitende Beamte aus der Verantwortung genommen. Immer wieder Affären bei der Polizeiausbildung, angebliche Karriere-Seilschaften, widersprüchliches Ermittlungsvorgehen, Ärger um Aktenführung, Mobbing-Vorwürfe, womöglich bespitzelte kritisch berichtende Journalisten und eine nunmehr völlig verunsicherte Polizei - die regionalen Medien sprechen von einem »Erdbeben«. Es geht inzwischen ein Riss durch die gesamte Landespolizei, nicht nur durch einzelne Dienststellen oder Abteilungen. Die Gewerkschaft der Polizei zeigt sich enttäuscht vom Minister, kann dessen Handeln nicht nachvollziehen. Die konkurrierende Deutsche Polizeigewerkschaft hingegen hat Verständnis für das Durchgreifen des Ministers. Die politische Aufarbeitung dürfte in einem Untersuchungsausschuss münden, dessen Beantragung die SPD seit geraumer Zeit ankündigt.

Die Turbulenzen um die Polizeielite im nördlichsten Bundesland nahmen vergangenen Mittwoch noch einmal an Dynamik zu, drangen einen Tag später an die Öffentlichkeit und wurden von Minister Grote in einem nüchternen Statement bestätigt. Seither jagte eine Krisensitzung die nächste. Auch für den heutigen Montag sind weitere Gespräche angesetzt.

Dass Polizeiabteilungsleiter Jörg Muhlack bei seinem obersten Dienstherrn Grote in Ungnade gefallen ist, drückt Letzterer so aus: »Grund für die Entscheidung ist, dass es zwischen uns unterschiedliche Auffassungen über die Führung der Landespolizei gibt.« Muhlack ist Beamter auf Lebenszeit und wird nun ebenso hausintern versetzt wie Landespolizeidirektor Ralf Höhs, der ebenfalls nicht mehr Grotes Vertrauen besitzt. Muhlack eckte zuletzt offenbar damit an, dass er die Ministeriumsspitze nicht darüber informierte, dass die Ermittlungen gegen den in der Vorwoche in Schwerin festgenommenen mutmaßlichen IS-Anhänger in Schleswig-Holstein ihren Ursprung hatten. Im Zuge des aktuellen Personalaustausches hatte auch der Leiter des Landeskriminalamtes (LKA) Thorsten Kramer freiwillig seine vorzeitige Pensionierung angeboten, doch er soll altersbedingt nun erst im nächsten Sommer ausscheiden.

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass der Umbau der Polizeiführung mit Ungereimtheiten im Zuge von Ermittlungen im Rockermilieu zu tun hat, die bis ins Jahr 2010 zurückreichen, als Hells Angels und Bandidos sich blutige Auseinandersetzungen lieferten. Da sich V-Leute in den Reihen der Rocker bewegten, sollten zum Schutz und zur Tarnung dieser nicht alle zurück verfolgbaren Aussagen in den Polizeiakten auftauchen. Dass somit eine behördlich gesteuerte Beweismittelunterdrückung erfolgte, dagegen lehnten sich zwei LKA-Beamte auf, die aber von ihren Vorgesetzten, zu denen seinerzeit auch Ralf Höhs gehörte, zurückgepfiffen wurden und sodann ihre Aufgabe als szenekundige Rockerermittler verloren. Als diese Dinge vor eineinhalb Jahren durch den ehemaligen Piraten-Abgeordneten Patrick Breyer öffentlich wurden, erfolgten vertraulichen Aussagen aus Polizeikreisen zufolge regelrechte interne Bespitzelungen, welche Beamte womöglich Informationen an Journalisten geben. Seit Monaten beschäftigt sich der Landtag im Innen- und Rechtsausschuss mit der Sache. Minister Grote, der bei den Personalentscheidungen einen Zusammenhang mit dem Rocker-Thema abstreitet, hat Ende Juli den früheren SPD-Innenminister Klaus Buß als Sonderermittler ernannt.

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