Hariri tritt überraschend zurück

Libanons Ministerpräsident erklärt aus Saudi-Arabien, man trachte ihm nach dem Leben

  • Karin Leukefeld, Beirut
  • Lesedauer: 3 Min.

Per Telefon informierte Saad Hariri aus der saudischen Hauptstadt Riad Libanons Präsident Michel Aoun am Wochenende über seinen Rücktritt, für den er Iran und die Hisbollah verantwortlich machte. Teheran werde »von tiefem Hass gegen die arabische Nation angetrieben«, las Hariri von einer vorbereiteten Erklärung im saudischen Staatsfernsehen ab. Die Hisbollah habe »mit der Macht ihrer Waffen vollendete Tatsachen« geschaffen. »Ich will Iran und seinen Anhängern sagen, dass sie gescheitert sind. Ihre Hände in der Region werden abgehackt werden.« Man trachte ihm nach dem Leben, so Hariri, daher kehre er zunächst nicht nach Libanon zurück. Sowohl die Armeeführung als auch der dortige Inlandsgeheimdienst erklärten, ihnen seien keine Informationen über mögliche Anschlagspläne auf Politiker in Libanon bekannt.

Hariri, der sich selber als politischen Gegner der Hisbollah bezeichnet, hatte während seiner Amtszeit einen pragmatischen Kurs verfolgt. Um Libanon ein Schicksal wie Syrien zu ersparen, müsse man kooperieren, auch wenn es Differenzen gebe, sagte er zuletzt im Sommer 2017 dem Magazin »Politico«. Libanon habe aus dem eigenen Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 bittere Lehren gezogen. Bei seinem Amtsantritt hatte Hariri versprochen, Brücken zu bauen und die Libanesen untereinander zu versöhnen.

Der Kurs hatte sich als richtig erwiesen: Dem Zedernstaat war der syrische Krieg erspart geblieben. Zuletzt waren die libanesische Armee und die Hisbollah im Grenzgebiet gegen IS-Kämpfer bei Arsal vorgegangen, während die syrische Armee auf der syrischen Seite die Kämpfer angriff. Eine Vereinbarung zur Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien, die von der Hisbollah auch mit der syrischen Regierung ausgehandelt worden war, hatte Hariri zwar zurückgewiesen, er konnte sie aber nicht blockieren. Sowohl die Armeeführung als auch der libanesische Inlandsgeheimdienst und Präsident Aoun hatten der Rückkehr zugestimmt.

Der Rücktritt und vor allem der scharfe Ton gegenüber Hisbollah wie Iran verwundert nun, denn Hariri hatte nur einen Tag zuvor den Berater des obersten Geistlichen in Teheran, Ali Akhbar Velayati, empfangen und die gute Zusammenarbeit begrüßt.

Hariri, der die saudische Staatsangehörigkeit hat, war unmittelbar nach dem Treffen mit Velayati nach Riad geflogen, obwohl er erst wenige Tage zuvor dort zu Beratungen gewesen war. Die von ihm vorgetragene Erklärung trägt eher die Handschrift Saudi Arabiens. Das Königshaus gilt als der große Konkurrent Irans in der Region und wird in seiner feindseligen Haltung von den USA und Israel unterstützt. Um den iranischen Einfluss in Syrien zurückzudrängen, hatte Saudi Arabien mit Katar, der Türkei, den USA und anderen US-Verbündeten seit 2011 Waffen, Munition, Geld und Kämpfer durch Libanon nach Syrien geschmuggelt.

Einem Aufklärungsschiff der Bundesmarine, das im Rahmen der UNIFIL-Mission seit 2006 Waffenlieferungen über das Meer an die Hisbollah Richtung Libanon stoppen soll, waren libanesischen Quellen zufolge 2011 acht Schiffe mit Waffenlieferungen entgangen, bevor die libanesische Küstenwache im Mai 2012 selber ein neuntes Schiff, die »Lutfallah II« mitsamt Waffen auffliegen ließ.

Trotz seines pragmatischen Kurses innerhalb Libanons wurden bei Hariri die Positionen seiner saudischen Unterstützer deutlich, insbesondere zu Syrien. Lange blockierte Hariri das Eingreifen der libanesischen Armee im Grenzort Arsal, wo sich IS- und andere Kampfgruppen niedergelassen hatten. Erst vor wenigen Tagen hatte die Ernennung eines neuen libanesischen Botschafters in Syrien zu heftigen Kontroversen geführt.

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