Weiterer britischer Politiker tritt nach Belästigungsvorwürfen zurück

Premierministerin May fordert angesichts des Ausmaßes der Debatte um sexuelle Belästigung »neue Kultur des Respekts«

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London. Der britische Parlamentarier Christopher Pincher ist wegen Belästigungsvorwürfen eines Mannes von seinem Amt bei den Konservativen zurückgetreten. Der frühere Olympia-Ruderer Alex Story hatte zuvor seinem Parteikollegen Pincher öffentlich vorgeworfen, von ihm bei einem Treffen 2001 sexuell bedrängt worden zu sein.

Pincher kann sich nach eigenen Worten nicht an das Treffen mit Story erinnern. »Was immer geschah oder nicht geschah oder gesagt wurde, war offensichtlich viele Jahre, bevor ich Parlamentarier wurde«, sagte der Politiker. Aufgrund der Vorwürfe trat Pincher freiwillig von seinem Amt zurück und kündigte an, den Vorfall parteiintern und auch von der Polizei prüfen zu lassen.

Premierministerin Theresa May rief angesichts der Vorwürfe am Montag in London zu einer Veränderung auf. »Wir müssen eine neue Kultur des Respekts im Zentrum unseres öffentlichen Lebens schaffen«, wird May in einem vorab verbreiteten Redemanuskript für die Jahrestagung des Britischen Industrieverbandes (CBI) in London zitiert. Jeder sollte in einer sicheren Umgebung arbeiten können. Beschwerden müssten vorgebracht werden können, ohne Nachteile zu befürchten.

Am Montagabend berät May mit den Vorsitzenden der anderen Parteien über Konsequenzen aus den bekanntgewordenen Vorfällen sexueller Belästigung. Täglich tauchen neue Beschuldigungen gegen Politiker in Großbritannien auf. Die Vorwürfe betreffen sowohl Konservative, als auch die oppositionelle Labour-Partei und die Schottische Nationalpartei (SNP). Die Berichte reichen von unangemessenen anzüglichen Nachrichten bis hin zu Vergewaltigung. Der britische Verteidigungsminister Michael Fallon ist vergangenen Mittwoch nach Vorwürfen der sexuellen Belästigung zurückgetreten.

Vize-Premier Damian Green wird ebenfalls sexistisches Verhalten vorgeworfen. Er soll noch am Montag im Rahmen einer regierungsinternen Untersuchung befragt werden. Ein ehemaliger Polizist hatte berichtet, dass auf einem von Greens Computern im Parlament im Jahr 2008 »extreme Pornografie« entdeckt worden sei. Zudem hatte eine Journalistin den Kabinettschef beschuldigt, sie unangemessen angefasst zu haben und ihr eine anzügliche Nachricht geschickt zu haben. Der 61-Jährige streitet alles ab.

Falls Green zurücktreten sollte, wäre das der zweite große Schlag für May nachdem sie bereits mit Fallon einen langjährigen Unterstützer verloren hatte. May hatte vergangene Woche erste Maßnahmen ergriffen und einen überarbeiteten Verhaltenskodex für die Konservativen vorgestellt. Für die Betroffenen wurde eine Beschwerde-Hotline eingerichtet.

Die Debatte über sexuelle Übergriffe kam in Fahrt, nachdem Dutzende Frauen vor allem in den USA Belästigungen und Missbrauch durch Hollywood-Mogul Harvey Weinstein öffentlich gemacht hatten. nd/Agenturen

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