Musterhaft im Musterdorf

Mecklenburg-Vorpommern: Verein für Erhalt des Kulturhauses in Mestlin ausgezeichnet

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie ein leicht verspätetes Geburtstagsgeschenk für ihr Kulturhaus mögen die Mestliner den Deutschen Preis für Denkmalschutz empfinden, der ihrem Kulturverein am Montag überreicht wird. War der Monumentalbau doch am 19. Oktober 1957, also vor 60 Jahren, feierlich eröffnet worden - als Herzstück eines sozialistischen Musterdorfs der DDR. Dass das Haus überhaupt so alt werden durfte, ist wesentlich dem Engagement des Vereins zu verdanken. Er wird dafür nun neben vier weiteren Preisträgern mit der »Silbernen Halbkugel« des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz belohnt.

So sehr sich die Vereinsmitglieder auch darüber freuen mögen, eine noch größere Freude würde ihnen gewiss eine frohe Botschaft aus Schwerin bereiten, die besagt: Mecklenburg-Vorpommern fördert den Erhalt des Kulturhauses mit einer Finanzspritze. Ein bisschen darauf gehofft hatte man in Mestlin vermutlich, nachdem Landesbildungsministerin Birgit Hesse (SPD) im Sommer während ihrer »Kulturreise« das 750-Einwohner-Dorf besucht und sinngemäß angemerkt hatte, ohne Hilfe von außen lasse sich das Gebäude kaum bewahren. Doch dabei blieb es. Unterstützung seitens des Landes, geschweige denn Geld, zog die Visite der Ministerin nicht nach sich.

Um so höher ist der Einsatz des Vereins für den imposanten Komplex zu werten, der Mestlins Marx-Engels-Platz dominiert. Entstanden war das Bauwerk im Rahmen des Vorhabens, 180 sozialistische Musterdörfer in der noch jungen DDR zu schaffen - eines sollte in Mestlin entstehen. Denn dort - das war ein wichtiges Standortkriterium - ließen sich die Erfolge der Bodenreform besonders gut darstellen. In jenem Dorf hatten viele Familien in ärmlichen Behausungen gelebt, waren bis zur Enteignung der Feudaljunker von »ihrem« Gutsherren abhängig gewesen waren.

Doch nicht 180 Musterdörfer entstanden, sondern nur ein einziges: Mestlin. Jener Titel brachte ein großes Schulgebäude mit sich, mehrere Wohnhäuser, Läden und als Krönung das Kulturhaus. Es wurde im Stil des sozialistisch geprägten Neoklassizismus errichtet - für rund 3,5 Millionen Mark. Seither stand dem Dorf Mestlin sowie der Region mit dem großen Saal und weiteren Räumen des Hauses ein Zentrum für vielfältige Nutzung zur Verfügung. Unzählige Menschen erlebten hier ihre Jugendweihe, Konzerte, Theateraufführungen, Tagungen - das Spektrum der Veranstaltungen war mannigfaltig.

Bis zur Wende. Denn 1990 wurde der DDR-Bezirk Schwerin, bis dahin finanzieller Träger des Hauses, aufgelöst. Für den Unterhalt des Gebäudes muss seither die kleine Gemeinde sorgen, eine Aufgabe, die sie tief in die roten Zahlen drückt. Verfallen aber soll das Kulturhaus trotz der finanziellen Enge nicht, sagten sich engagierte Menschen und gründeten im Jahr 2008 den Denkmal- und Kulturverein.

Dessen Vorsitzende Claudia Stauß und weitere Mitglieder haben sich seither nach Kräften und mit schon sichtbarem Erfolg bemüht, das Haus wieder in Ordnung zu bringen. Die Türen des großen Saales sind restauriert, sein ramponierter Fußboden ist erneuert worden. Treppen wurden instand gesetzt, ebenso das Foyer. Beispiele nur.

Neben seinem Einsatz für die Substanz des Hauses sorgt der Verein auch für Leben darin. Er organisiert Ausstellungen, Aufführungen und Konzerte. Mit Blick auf diese Bemühungen erhielt das Kulturhaus in diesem Jahr bereits den Spielstättenpreis der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Die Auszeichnung ist mit 5000 Euro dotiert und wird seit 2010 jährlich gemeinsam von der Nordkurier Mediengruppe und den Festspielen an solche Spielstätten vergeben, die ein besonderes Entwicklungspotenzial haben.

Mit seinem »ganzheitlichen Ansatz«, so lobt nun das Denkmalschutz-Komitee anlässlich der Preisvergabe, habe der Verein »einen Leuchtturm unter den Denkmalobjekten aus der DDR-Zeit geschaffen«.

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