Bahngewerkschaft gibt sich kämpferisch

Nach langer Irrfahrt kehrt die EVG wieder auf einen privatisierungskritischen Kurs zurück

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die DGB-Bahngewerkschaft EVG hat sich gegen eine Zerschlagung und Privatisierung der Deutschen Bahn (DB) und anderer öffentlicher Bahnen ausgesprochen. Das mag für eine Bahngewerkschaft wenig überraschend klingen, im Falle der EVG bedeutet die einstimmige Annahme einer entsprechenden Resolution jedoch das Ende einer politischen Irrfahrt. Die Gewerkschaft knüpft damit an eine 17 Jahre zurückliegende Tradition an, die über lange Jahre verschüttet war. Darüber hinaus erklärten sich die Delegierten des Gewerkschaftstags, der am Donnerstag in Berlin zu Ende ging, solidarisch mit allen Geflüchteten und riefen zu Protesten gegen den Bundesparteitag der AfD am 2. Dezember in Hannover auf.

Zuletzt hatte der Gewerkschaftstag der Vorläuferorganisation Transnet im Jahr 2000 in Magdeburg eine Resolution gegen die drohende Privatisierung der Bahn angenommen, die von Unterstützern der Initiative »Bahn von unten« eingebracht worden war. Wenig später vollzog der damalige Gewerkschaftschef Norbert Hansen jedoch einen Kurswechsel und orientierte auf einen Börsengang der DB, der gewerkschaftsintern als rein finanztechnischer Akt zum Erwerb von »frischem Kapital« für dringende Investitionen dargestellt wurde.

Als 2004 die Transnet-Bundesbetriebsrätekonferenz einen privatisierungskritischen Beschluss verabschiedete, warf der zum Kapitallobbyisten mutierte Hansen den Antragstellern vor, sie gefährdeten damit den integrierten Bahnkonzern. Der Gewerkschaftstag Ende 2004 stärkte Hansen den Rücken. Als gefeierter Gastredner bekannte sich der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder zum Börsengang des kompletten DB-Konzerns. »Norbert und ich haben früher die Revolution geplant, die wir heute gemeinsam verhindern müssen«, so Schröder unter Beifall. Er spielte damit an gemeinsame Zeiten mit Hansen im Juso-Bundesvorstand Ende der 1970er Jahre an.

Im »System Hansen« hatten es erklärte Privatisierungsgegner unter den Transnet-Funktionären und Betriebsräten schwer und wurden mitunter gemobbt. Auch als Hansen 2008 einen Seitenwechsel vollzog und in den Vorstand der Deutschen Bahn wechselte, gaben seine Anhänger innerhalb der Gewerkschaft weiter den Ton an. So warb etwa das heutige EVG-Vorstandsmitglied Martin Burkert in der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) für die Bahnprivatisierung. Nur angesichts der Weltwirtschaftskrise wurde der für Oktober 2008 geplante Börsengang kurzfristig gestoppt.

Nachdem sich die aus einer Fusion von Transnet mit der kleinen Beamtengewerkschaft GDBA hervorgegangene EVG klar gegen eine Bahnprivatisierung ausgesprochen hat, könnte nun rasch die Stunde der Wahrheit folgen. So gibt es Befürchtungen, dass eine mögliche Jamaika-Koalition die Zerschlagung und Privatisierung der DB erneut auf die Agenda setzen könnte.

Die Konkurrenzgewerkschaft GDL übrigens hat ihren Widerstand gegen eine Privatisierung längst aufgegeben und könnte bald als Kronzeugin für ein Privatisierungsmodell à la FDP dienen. Sie fordert nach britischem Vorbild die Überführung der DB-In-frastrukturtöchter in eine von Gewinnorientierung befreite Firma. Die DB-Transportunternehmen und andere Bahnen sollten hingegen »weiter Gewinne erwirtschaften«, so GDL-Chef Claus Weselsky, der glaubt, die Privatisierung »eh nicht verhindern zu können«.

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