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  • Prozess gegen Ex-Drogeriebesitzer

Haft für Lars und Meike Schlecker

Drogeriegründer Anton Schlecker erhält Bewährungsstrafe / ver.di: Verurteilte haben sich öffentlich selbst bemitleidet und gleichzeitig Millionen Euro aus dem Geschäft verschwinden lassen

  • Lesedauer: 3 Min.

Stuttgart. Im Prozess gegen den insolventen Drogeriegründer Anton Schlecker hat das Landgericht Stuttgart eine zweijährige Bewährungsstrafe verhängt. Wie das Gericht am Montag urteilte, sollen seine beiden Kinder Lars und Meike dagegen jeweils mehr als zweieinhalb Jahre in Haft.

Unter anderem wegen Insolvenzverschleppung und Betrugs sollen Lars und Meike Schlecker ins Gefängnis. Im Fall von Lars beschlossen die Richter zwei Jahre und neun Monate Haft, im Fall von Meike zwei Jahre und acht Monate. Der frühere Drogeriemarkt-Unternehmer selbst bekam wegen Bankrotts eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Außerdem muss Anton Schlecker eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 150 Euro zahlen.

Im vor einer Woche gehaltenen Abschlussplädoyer zu dem seit März laufenden Prozess sah die Staatsanwaltschaft den Vorwurf des besonders schweren Bankrotts als erwiesen an. Sie forderte für den 73-jährigen Anton Schlecker drei Jahre Haft. Dem schloss sich das Gericht nun aber nicht an. Bei den Kindern Meike und Lars Schlecker hingegen folgte das Landgericht weitgehend der Einschätzung der Staatsanwaltschaft.

Den Schlecker-Kindern hatte die Tochterfirma LDG gehört, über die Schlecker die gesamte Logistik der Drogeriefilialen abwickelte. Das Gericht sah in ihrem Fall nicht nur den Vorwurf des Bankrotts als erwiesen an, sondern darüber hinaus Beihilfe zum Bankrott, Insolvenzverschleppung und Untreue.

Schlecker, einst größte Drogeriemarktkette Europas, hatte im Januar 2012 Insolvenz angemeldet. Eine Rettung schlug fehl, etliche tausend Mitarbeiter verloren ihre Jobs. Um die Pleite an sich ging es nicht vor Gericht - sondern um die Frage, wann Schlecker die drohende Zahlungsunfähigkeit erkannt hat oder hätte erkennen müssen. Als sogenannter Einzelkaufmann haftete er mit seinem privaten Vermögen für das Unternehmen. Von diesem Zeitpunkt an hätte er daher kein Geld mehr aus dem Konzern ziehen oder privat an andere übertragen dürfen.

Mitte November hatten der Ex-Firmenchef und seine Kinder noch einmal vier Millionen Euro an den Insolvenzverwalter gezahlt, die in die Insolvenzmasse fließen sollen - zur Wiedergutmachung des Schadens. Zuvor hatte die Familie schon zehn Millionen Euro an den Verwalter überwiesen. Insgesamt haben die Gläubiger früheren Angaben zufolge mehr als eine Milliarde Euro an Forderungen angemeldet.

ver.di: »Wut und Verbitterung« der 27.000 Beschäfigten »hat Verurteilte nie interessiert«

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat das milde Urteil gegen den Drogeriemarktgründer Anton Schlecker kritisiert. »Man weiß nicht, ob die Überweisung von vier Millionen Euro zur Schadensregulierung kurz vor dem Urteil das Gericht im Fall Anton Schlecker milde gestimmt hat«, erklärte ver.di-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger am Montag in Berlin. »Davon bekommt allerdings keine ehemalige Schlecker-Frau einen neuen Arbeitsplatz oder ihr entgangenes Gehalt.«

Das Urteil gegen Schlecker und seine Kinder Lars und Meike sei die »Antwort des Rechtstaates auf diese Form der Wirtschaftskriminalität und fehlende Unternehmensverantwortung«, erklärte Nutzenberger. »Die Wut und die Verbitterung der 27.000 Frauen, die von heute auf morgen auf die Straße gesetzt und ihrer Existenzgrundlage beraubt wurden, hat die jetzt Verurteilten nie interessiert.«

Stattdessen habe sich die Unternehmerfamilie Schlecker öffentlich selbst bemitleidet und gleichzeitig Millionen Euro aus dem Geschäft verschwinden lassen. Der Schlecker-Bankrott habe die Existenzgrundlage vieler Frauen vernichtet, die teilweise heute noch arbeitslos sind und von Hartz IV leben müssen.

In zwei Wochen beginnt im österreichischen Linz ein Zivilverfahren gegen Schleckers Ehefrau Christa und die beiden Kinder, in dem es um Schadenersatz-Forderungen des Insolvenzverwalters der ehemaligen Schlecker-Tochterfirma Dayli geht. Im sächsischen Zwickau läuft bereits ein Verfahren, wie das dortige Landgericht der »Wirtschaftswoche« bestätigte. Der Insolvenzverwalter eines früheren Schlecker-Personaldienstleisters verlangt ebenfalls Geld zurück. Christa Schlecker war anfangs auch im Stuttgarter Strafprozess angeklagt, das Verfahren wurde aber eingestellt. Agenturen/nd

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