Ex-Präsident: Abschiebungen erst bei sicherer Lage

Deutschland sollte nach Auffassung von Hamid Karsai diplomatische Rolle spielen und in Aufbauprojekte investieren

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Der frühere afghanische Präsident Hamid Karsai hat an Deutschland appelliert, bei Abschiebungen »mehr Milde im Umgang mit den Afghanen« zu zeigen. »Ich hoffe, dass man sich mehr Zeit lässt damit, diese Menschen zurückzuschicken. Solange, bis sich die Lage gebessert hat und sicherer ist«, sagte Karsai am Montag im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Gleichzeitig empfahl er seinen Landsleuten, das Dilemma, in dem Deutschland steckt, zu verstehen. Trotz der eskalierenden Gewalt in Afghanistan schiebt Deutschland immer wieder Afghanen in ihre Heimat ab.

In dem andauernden Konflikt wünscht sich Karsai eine »direkte Rolle« Deutschlands in seinem Land. »Es ist richtig, dass Deutschland jetzt keine neuen Kampftruppen nach Afghanistan schickt«, erklärte er. Deutschland solle eher eine diplomatische Rolle spielen und etwa in Aufbauprojekte investieren. »Das würde Deutschland gut zu Gesicht stehen«, betonte Karsai.

Der verlustreichste Einsatz in der Geschichte der Bundeswehr in Afghanistan läuft bereits seit 16 Jahren, inzwischen nur noch als Ausbildungsmission. Aber die NATO will wegen der verheerenden Sicherheitslage wieder mehr Truppen an den Hindukusch schicken. Karsai war von 2001 bis 2014 Präsident Afghanistans und hatte dabei mit den USA im Krieg gegen die Taliban kooperiert.

Acht Tote bei Taliban-Überfall auf Militär

Erst am Montag sind bei einem Überfall der radikalislamischen Taliban auf einen Sicherheitsposten der afghanischen Armee in der Südprovinz Nimrus mindestens acht Soldaten getötet worden. Die Kämpfer hätten am frühen Morgen angegriffen, sagte der Sprecher der Provinzregierung, Ahmad Arab. Die Kämpfe zur Rückeroberung des Postens hätten bis zum Nachmittag gedauert. Die Taliban ließen verlauten, sie hätten elf Soldaten getötet und alle ihre Waffen und Munition mitgenommen.

Ähnliche Überfälle gibt es seit Monaten mitunter fast täglich. Im vergangenen Jahr waren mehr als 8000 Polizisten und Soldaten getötet und mehr als 14.000 verletzt worden. In diesem Jahr gibt das Verteidigungsministerium keine Zahlen heraus.

Knapp 350.000 Binnenflüchtlinge

In der vergangenen Woche wurde zudem bekannt, dass in Afghanistan seit Jahresbeginn hunderttausende Menschen vor Gefechten zwischen islamischen Taliban und Sicherheitskräften aus ihren Heimatorten geflohen sind. Laut einem Bericht der UN-Agentur zur Koordinierung humanitärer Hilfe sind demnach zwischen dem 1. Januar und dem 19. November sind 343.958 Afghanen heimatlos geworden. dpa/nd

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