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Im Zweifel für Evo Morales
Martin Ling über den Verfassungsbruch in Bolivien
Demokratietheoretisch ist die Entscheidung des Verfassungsgerichts in Bolivien schlüssig; juristisch und mit allgemeinen demokratischen Maßstäben gemessen mehr als fragwürdig. »Alle Bürger und alle Personen, die durch das Gesetz und die Verfassung eingeschränkt wurden, werden in die Lage versetzt, bei den kommenden Wahlen zu kandidieren, denn schließlich ist es das bolivianische Volk, das zu entscheiden hat.« So begründete der vorsitzende Richter Macario Lahor Cortez die Entscheidung, trotz eines Verbots in der eigenen Verfassung den Weg für die unbegrenzte Wiederwahl von Politikern freizumachen, darunter für eine erneute Kandidatur von Staatspräsident Evo Morales von der Bewegung zum Sozialismus.
Was vordergründig nach »Alle Entscheidungsgewalt dem Volk« klingt, ist hintergründig offenkundig ein machtpolitisches Manöver. Das Verfassungsgericht hebelt eine Verfassung aus, die per Verfassunggebender Versammlung ausgearbeitet und per Referendum 2009 gebilligt wurde. Die jetzige Entscheidung unterläuft diese Verfassung, ohne dass es dafür ein Mandat des Souveräns gibt. Eine Regierung, die auf solche Tricks zurückgreifen muss, hat mehr zu verlieren als nur die Regierungsmacht. Die Glaubwürdigkeit der von Morales 2006 angestoßenen, begrüßenswerten Neugründung Boliviens steht bei den kommenden Wahlen auf dem Spiel.
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