Grenzen der Arbeitsvermittlung

Von dem Jobaufschwung können in Lichtenberg nicht alle profitieren

Vielleicht steht das Familienunternehmen Dopa Diamond Tools exemplarisch für den Wirtschaftsaufschwung in Lichtenberg. Der Hersteller von Diamantwerkzeugen und optischen Geräten hat erst im Juni seinen Neubau in Hohenschönhausen bezogen und kann an der Pablo-Picasso-Straße endlich zu hervorragenden Bedingungen produzieren. Vorbei sind die Zeiten, in denen in verschiedenen Hallen in der Plauener Straße die hochempfindlichen Werkstücke angefertigt worden sind. »Aktuell beschäftigen wir 49 Mitarbeiter«, erzählt der Unternehmer Marcel Patraschkov. »Die Tendenz ist steigend.« Der Markt sieht hervorragend aus für Smartphone-Komponenten und optische Bauteile von Lasersystemen.

Ohnehin hat sich der Arbeitsmarkt in Lichtenberg erstaunlich entwickelt. Derzeit gibt es fast 21 000 Betriebe in dem Bezirk. Zum Vergleich: Vor zwanzig Jahren waren es noch 13 800. Die Erwerbslosenquote liegt aktuell bei 7,5 Prozent, »ein historischer Tiefstand«, wie Bezirksbürgermeister Michael Grunst (LINKE) betont. Die Stadt wächst ebenso wie der Bezirk, und analog dazu entwickelt sich die Wirtschaft. Möbel Höffner hat unlängst eine Filiale an der Landsberger Allee aufgemacht und rund 500 Arbeitsplätze geschaffen, die Großwäscherei Greif hat ihren Sitz in unmittelbarer Nachbarschaft zu Dopa erst vor einem Jahr bezogen. Und auch Ikea vergrößert sich regelmäßig an der Landsberger Allee.

Längst stellt der Fachkräftemangel die Unternehmen vor einige Probleme. Es sei schwierig, unter den Arbeitsuchenden passende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, weiß die Wirtschaftsstadträtin Birgit Monteiro (SPD). Auch Dopa sucht händeringend nach geeignetem Personal. Das Unternehmen kooperiert mit der Arbeitsagentur, in der Hoffnung, auf diesem Weg neue Arbeitskräfte möglichst aus Berlin zu gewinnen. »Wir schalten aber auch im Ausland Anzeigen«, sagt Patraschkov - um Ingenieure oder Feinoptiker zu finden. Mitunter stelle er auch Quereinsteiger in der Produktion ein, berichtet der Unternehmer und erwähnt einen Kollegen, der früher als Zweiradmechaniker gearbeitet hat.

Genau eine solche Vermittlung stellt die Jobcenter jedoch vor einigen Schwierigkeiten. »Es stellt uns zunehmend vor Herausforderungen, Mensch und Arbeit zusammenzubringen«, erzählt Lutz Neumann, Geschäftsführer des Jobcenters Lichtenberg. Bei den Unternehmen sind nämlich häufig die beruflichen Anforderungen hoch, so dass nur wenige Erwerbslose für eine solche Tätigkeit infrage kommen. »Wir brauchen einerseits eine gute Zusammenarbeit mit dem Bezirk und den Arbeitgebern«, meint Neumann. »Aber auch Mut, um Neues zu probieren.«

Einen besonderen Blick wirft der Bezirk Lichtenberg auf die Situation der Alleinerziehenden. Unter den rund 12 000 Erwerbslosen machen sie mit etwa 4600 Personen einen recht großen Anteil aus. Förderungen nach dem Gießkannenprinzip machen hier wenig Sinn, meint Wirtschaftsstadträtin Monteiro. Gebraucht würden vielmehr individuelle Lösungen; danach sucht der Bezirk und schlägt neue Wege ein: Das Jobcenter übernimmt etwa Patenschaften von Stadtteilzentren, um dort gezielt Erwerbslose beraten zu können. Außerdem will der Bezirk eine flexiblere Kinderbetreuung anbieten. »In den Randarbeitszeiten sollen Erzieherinnen die Kinder zu Hause betreuen«, erzählt Grunst über das Modellprojekt.

Ferner prüft der Bezirk derzeit, ob Teilzeit-Ausbildungen für Alleinerziehende angeboten werden können. Und in der Vincent-van-Gogh-Oberschule soll für Eltern wie für Jugendliche gleichermaßen eine Berufsberatung angeboten werden, um eine adäquate Vermittlung anbieten zu können.

Dass auch das hoch spezialisierte Unternehmen Dopa davon profitieren kann, ist nicht ausgeschlossen. Das Geschäft läuft derzeit ausgezeichnet. Längst sind schon Pläne ausgearbeitet, um die Produktion auf dem Nachbargrundstück zu erweitern.

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