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Der Westen schreitet voran

Laut zwei Studien fallen der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Zufriedenheit mit dem Lohn im Osten niedriger aus

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Offenheit gegenüber Fremden ist in Deutschland größer, als man denken könnte. Zu diesem Ergebnis kommt man, wenn man sich die am Montag veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung zum sozialen Zusammenhalt in Deutschland ansieht. Allerdings gibt es große Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland. Während in westdeutschen Bundesländern im Durchschnitt weniger als 20 Prozent der Befragten aussagten, ungern Ausländer als Nachbarn zu bekommen, waren es in Sachsen-Anhalt 35 und in Sachsen sogar 43 Prozent der Befragten.

Insgesamt befragte die Bertelsmann-Stiftung 5041 Menschen in 79 Regionen Deutschlands zu verschiedenen Aspekten des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Auffällig ist, dass die Menschen in Deutschland sehr unzufrieden mit den sozialen Unterschieden sind. So sagten etwa 65 Prozent der Befragten, dass die wirtschaftlichen Gewinne in Deutschland nicht gerecht verteilt würden. Weitere 52 Prozent gaben an, die sozialen Unterschiede im Land im Großen und Ganzen nicht gerecht zu finden. Nur 20 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass man in Deutschland entsprechend seiner Leistung vergütet wird. Vor diesem Hintergrund ist es überraschend, dass die Menschen in Deutschland mit ihrem Bruttolohn überwiegend zufrieden sind, wie die ebenfalls am Montag veröffentlichte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt.

Die Erhebung des IW fand im Rahmen des Sozioökonomischen Panels statt, bei welchem 30 000 Menschen in ganz Deutschland befragt wurden. Zur Untersuchung der Frage, ob sich Arbeitnehmer gerecht entlohnt fühlen, wurden Arbeitslose aus der Statistik herausgerechnet. Auch bei dieser Erhebung ist das Ost-West-Gefälle auffallend. Während in Westdeutschland etwa 63 Prozent der Befragten angaben, ihren Bruttolohn als gerecht zu empfinden, waren es in Ostdeutschland nur etwa 49 Prozent.

Besonders auffällig ist der Unterschied des Gerechtigkeitsempfindens mit dem Einkommen im Niedriglohnsektor. So gaben etwa 58 Prozent im Niedriglohnsektor in Westdeutschland an, ihr Bruttoeinkommen als gerecht zu empfinden. Im Osten waren es demgegenüber nur etwa 38 Prozent. Die Studie zeigt außerdem, dass sich Beschäftigte, die nach einem Haus- oder Flächentarifvertrag bezahlt werden, im Durchschnitt gerechter entlohnt fühlen als Arbeitnehmer aus Betrieben ohne Tarifbindung.Während 63,2 Prozent der nach Tarif bezahlten Beschäftigten ihr Bruttoeinkommen als gerecht empfinden, beträgt dieser Wert für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer 56,3 Prozent.

Inwiefern sich das Gerechtigkeitsempfinden bezüglich der eigenen Entlohnung in Deutschland verändert hat, ist nicht untersucht worden. »In den letzten Jahren wurde die Gerechtigkeitswahrnehmung bezüglich des eigenen Einkommens allgemein abgefragt und nicht zwischen Brutto- und Nettoeinkommen unterschieden«, erklärte Helena Schneider vom IW. Daher könne man die Studien nicht miteinander vergleichen. Bezüglich der Bertelsmann-Studie erklärte Kai Unzicker, dass sich die Tendenzen des Ost-West-Gefälles in den letzten Jahren schon gezeigt hätten. Die Ergebnisse zum sozialen Zusammenhalt in Deutschland unterschieden sich nicht wesentlich zu früheren Erhebungen.

Interessant an der Bertelsmann-Studie ist, dass auch das Vertrauen in Institutionen untersucht wurde. Bemerkenswert ist, dass das Vertrauen in die Polizei durchschnittlich sehr viel höher ist als in politische Parteien. So gaben nur etwa neun Prozent der Befragten an, großes oder sehr großes Vertrauen in die politischen Parteien zu haben. Bei der Polizei waren es demgegenüber 70 Prozent. Damit genießt die Polizei auch ein höheres Vertrauen als die Bundesregierung. 30 Prozent der Befragen gaben an, großes Vertrauen in die Bundesregierung zu haben, 45 Prozent der Befragten gaben »teils, teils« an. Auch hier ist das Verhältnis in den Bundesländern spannend. In Brandenburg stimmten mit 37 Prozent die meisten der Befragten in einem Bundesland der Aussage zu, der Bundesregierung wenig bis gar nicht zu vertrauen. In Sachsen stimmten 30 Prozent der Befragten dieser Aussage zu, in den anderen Bundesländern lag der Wert bei etwa 20 bis 25 Prozent. Am größten war das Vertrauen in die Bundesregierung unter den Befragten in Hamburg. Hier gaben nur 15 Prozent der Befragten an, wenig bis gar nicht in die Bundesregierung zu vertrauen.

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