Thüringen: Jeder Fünfte widerspricht Grundsteuerbescheid

Akzeptanz gegenüber der teils stark erhöhten Abgabe laut Finanzministerium sehr unterschiedlich

Für dieses Jahr haben Grundstückseigentümer bundesweit erstmals neu berechnete Grundsteuerbescheide erhalten. Für privat genutzte Flächen hat sich die Abgabe teils stark erhöht.
Für dieses Jahr haben Grundstückseigentümer bundesweit erstmals neu berechnete Grundsteuerbescheide erhalten. Für privat genutzte Flächen hat sich die Abgabe teils stark erhöht.

Wenn es um die von ihnen zu zahlende Grundsteuer geht, sind die Menschen in Thüringen je nach Region offensichtlich ziemlich unterschiedlich widerspruchsfreudig. Das zeigen Daten des Erfurter Finanzministeriums.

Gegen die Bescheide, die zum Jahreswechsel aufgrund der geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen versendet wurden, haben bis zum 31. März 18 Prozent der Empfänger der Schreiben Widerspruch eingelegt. Das geht aus einer Antwort von Ministerin Katja Wolf (BSW) auf eine Kleine Anfrage des Linke-Abgeordneten Ronald Hande hervor.

Während aber zum Beispiel in den Verantwortungsbereichen der Finanzämter Südthüringen beziehungsweise Eisenach die Einspruchsquote bei etwa 16 Prozent gelegen habe, liegt sie insbesondere in Ostthüringen deutlich darüber. Beim Finanzamt Altenburg hat fast jeder dritte Empfänger seinem neuen Grundsteuerbescheid widersprochen. Bei den Finanzämtern in Erfurt, Gera und Jena und Pößneck lag die Widerspruchsquote laut Ministerium bei 20 Prozent.

Besonders gering ist die Einspruchsquote in der Mitte Thüringens: Im Verantwortungsbereich des Finanzamtes Mühlhausen liegt sie nur bei etwa zwölf Prozent. Insgesamt gibt es in Thüringen elf Finanzamtsbezirke. Die bisherigen Behörden in Sonneberg und Suhl wurden 2024 zum Finanzamt Südthüringen zusammengelegt.

Woher die teilweise erheblichen regionalen Unterschiede kommen, kann das Ministerium nach Angaben einer Sprecherin nicht erklären. Auch die Steuerberaterkammer Thüringen hat keine Erklärung dafür. »Die Steuerberater haben ihre Mandanten regelmäßig darauf hingewiesen, dass bereits Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des neuen Grundsteuerrechts geäußert worden sind und mit dieser Begründung ein Einspruch gegen die Bescheide eingelegt werden kann«, sagte eine Sprecherin der Kammer. Zudem würden die Berater ihen Mandanten empfehlen, auch offensichtlich fehlerhaften Bescheiden zu widersprechen.

Die Art und Weise, wie in Deutschland die Grundsteuer erhoben wird, musste nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts reformiert werden. Zum 1. Januar 2025 waren das erste Mal Steuern nach den neuen Berechnungen zu zahlen. Diese hatten in Thüringen in der Regel dazu geführt, dass für Wohngebäude höhere und für gewerblich genutzte Gebäude von Unternehmen niedrigere Steuern zu zahlen sind.

Die Erfurter Koalition von CDU, BSW und SPD hat sich vorgenommen, das im Land angewandte Berechnungsmodell zum 1. Januar 2027 so zu ändern, dass die Grundsteuer für Wohngebäude wieder sinkt – und Unternehmen dann oft wieder mehr Grundsteuer für ihre gewerblich genutzten Immobilien zahlen müssen. Die Grundsteuer fließt vollständig den Kommunen zu. Landesweit erzielen sie auf diesem Weg Einnahmen in Höhe von etwa 240 Millionen Euro jährlich.

Wie das Finanzministerium auf die Linke-Anfrage mitteilt, waren bis Ende Dezember 2024 von den Finanzämtern etwa 1,1 Millionen Erklärungen von Besitzern zur Feststellung des Grundsteuerwerts abschließend bearbeitet worden. Etwa 831 000 davon bezogen sich auf Erklärungen zur Grundsteuer B, die zum Beispiel für Wohn- und Gewerbegrundstücke zu zahlen ist. Etwa 256 000 betrafen land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen.

Wie viele Haushalte und Unternehmen trotz ihrer bestehenden Verpflichtungen im vergangenen Jahr keine neuen Grundsteuererklärungen abgegeben haben und deshalb zum Beispiel Verspätungszuschläge zahlen mussten, konnte das Finanzministerium nicht sagen. »Diesbezüglich werden keine Statistiken geführt. Eine Auskunft kann daher nicht erfolgen«, heißt es in der Antwort. Bei denjenigen, die keine Erklärungen abgegeben hatten, haben die Finanzämter die Besteuerungsgrundlage oft geschätzt.

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