Den ersten Wunsch erfüllt

Mit dem zurückhaltenden Peter Stöger kann Dortmund in Mainz wieder einen Sieg feiern

  • Frank Hellmann, Mainz
  • Lesedauer: 4 Min.

Vermutlich hat sich Peter Stöger die ihm eigene Gelassenheit in einem der Wiener Kaffeehäuser zugelegt, die er Gästen bei einer Stippvisite so gerne zeigt. Jedenfalls hat die Charaktereigenschaft geholfen, den Rummel bei seinem Einstand für Borussia Dortmund zu ertragen. Geduldig stapfte der Trainer am Dienstagabend nach dem 2:0 beim FSV Mainz 05 von einer Fernsehkamera zur anderen, um sich eine geschlagene Stunde später in der Pressekonferenz noch mal denselben Fragen zu stellen. Aber hatte diesen Fußballlehrer nicht schon in seinen fast viereinhalb Jahren beim 1. FC Köln eine sympathische Nonchalance in allen Lebenslagen ausgezeichnet?

»Die Kombination tut gut und war beiden Seiten wichtig«, bekannte der 51-Jährige in einer Tonalität, die vom Triumphgeheul ungefähr so weit entfernt lag wie der BVB von der Tabellenspitze. Mit dem verdienten Arbeitssieg nach Toren von Sokratis (55.) und Shinji Kagawa (89.) endeten gleich zwei Negativserien: die seines zuvor seit acht Bundesligapartien sieglosen Arbeitgebers und seine persönliche. Der Österreicher hatte im deutschen Oberhaus letztmals am 20. Mai gewonnen, als Köln am letzten Spieltag in den Europapokal einzog und die halbe Domstadt sich besoffen vor Glück in den Armen lag. Gegner übrigens damals auch Mainz, das Ergebnis ebenso 2:0 - und so könnte die Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart tatsächlich belegen, dass Minus mal Minus nicht nur in der Mathematik Plus ergibt.

Der vorerst nur bis zum Saisonende gebundene BVB-Nothelfer, der sich stilecht die Kappe mit dem Gründerjahr 1909 übers Haupt gezogen hatte, redete seinen Anteil am gelungenen Einstand eher klein. Keinen Überschwang walten zu lassen, wirkte angemessen - noch besser, den Vorgänger bei der Würdigung nicht zu vergessen. »Die Menschen hier verlieren nicht ein negatives Wort über ihn. Ein Teil des Sieges gehört ihm«, sagte Stöger in Richtung Peter Bosz. Er habe in der Kürze der Zeit »viel Positives« vorgefunden - und nicht feststellen können, dass die Gruppe in Ich-AG’s zerfallen sei. Auch diese Worte dürften dazu dienen, rasch wieder eine Einheit zu werden. Dass erste Erfolgserlebnis könnte speziell für den Jahresabschluss am kommenden Mittwoch im DFB-Pokal bei den Bayern helfen: So entschlossen und geschlossen hat die schwarz-gelbe Gemeinschaft nämlich in den letzten Monaten definitiv nicht gegen den Ball gearbeitet.

»Ein neuer Trainer will neue Dinge umsetzen. Wir hatten einen Plan für dieses Spiel, auch wenn anderthalb Tage nicht für die ganze Philosophie reichen«, erzählte Julian Weigl, der sich schon mal als erster Gewinner fühlen darf. Während Bosz eher auf Nuri Sahin setzte, war nun Weigl in dem Dreier-Mittelfeld das ordnende Element, um das defensive Tun in den Vordergrund zu stellen. Er habe »ein bisschen was im taktischen Bereich gemacht, um Sicherheit zu geben«, räumte Stöger ein, aber er ziehe sich bestimmt »nicht den Schuh an«, dass sein Erscheinen der siegbringende Faktor war.

Und doch scheint Stöger vielleicht schneller als gedacht Überzeugungen vermitteln zu können, die Bosz für nicht ganz so wichtig hielt: dass beispielsweise auch drei Angreifer beim Verteidigen helfen. Und wer den Anspruch einer europäischen Spitzenmannschaft besitzt, der kann sich mit seiner individuellen Klasse immer irgendwie befreien. Stöger will mittelfristig eine Systematik finden, »in der sich die Mannschaft am wohlsten fühlt.« Bewusst haben ihm Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportchef Michael Zorc keine Punktevorgabe mit auf den Weg gegeben, sondern zuerst nur den Wunsch nach Stabilität geäußert.

In dieser Hinsicht wurde am Dienstagabend mehr als nur der erste Schritt gemacht. »Diese Geschlossenheit macht uns besser«, meinte auch Marcel Schmelzer, der nach seiner Kardinalkritik vom Sonnabend (»So konnte es nicht weitergehen«) nun viele lobende Worte fand. »Leidenschaft bei jedem Spieler« hatte der Kapitän gesehen. Nebenbei liefen die BVB-Profis mit fast 121 Kilometern so viel wie nie zuvor in dieser Spielzeit. Die wachgeküssten Elementartugenden dürften auch Julian Nagelsmann von der Haupttribüne der Arena am Mainzer Europakreisel nicht entgangen sein. Der weiterhin hartnäckig als möglicher BVB-Trainer ab 2018 gehandelte Kollege tritt mit der TSG Hoffenheim am Samstagabend zu Stögers Heimdebüt bei den Westfalen an. Nach den ersten Eindrücken könnte es eine unangenehme Ehre werden.

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