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»Wie ein Welttitel«

Dimitri Owtscharow erklimmt als zweiter deutscher Tischtennisspieler die Spitze der Weltrangliste

  • Sebastian Stiekel, Astana
  • Lesedauer: 3 Min.

In genau einer Stunde Spielzeit erfüllte sich der Traum eines ganzen Sportlerlebens. Dimitri Owtscharow schlug den Japaner Koki Niwa am Freitag in Astana in sieben Sätzen, fiel Bundestrainer Jörg Roßkopf in die Arme - und wird von Januar an die neue Nummer eins der Weltrangliste sein. Der World-Cup-Sieger aus Düsseldorf ist nach Timo Boll erst der zweite deutsche Spieler überhaupt, der die Tischtennisweltmacht China auf diese Weise düpiert.

»Ich bin ungemein stolz, im Januar die Nummer eins zu sein. Für mich fühlt sich das an wie ein Welttitel. Ich habe 20 Jahre darauf hingearbeitet«, sagte Owtscharow. Einer der ersten Gratulanten war Timo Boll, da beide nicht nur eine sportliche Rivalität, sondern auch eine enge persönliche Freundschaft verbindet. »Ich freue mich besonders für Dima, aber auch für den deutschen Sport und das gesamte Tischtennis«, sagte die frühere Nummer eins. »Jahrelang wurde es von China dominiert. Jetzt ist wieder Leben in unserem Sport!«

Der 29-jährige Owtscharow spielt aktuell »das beste Jahr meiner Karriere«. Sechs internationale Turniere hat er 2017 schon gewonnen. Er siegte unter anderem beim World Cup, bei den China Open, bei den German Open und bei der Team-EM. Deshalb reichte ihm bei den World Tour Grand Finals in Kasachstan am Freitag auch schon ein 4:3-Auftaktsieg im Achtelfinale gegen Koki Niwa, um den Weltmeister und Olympiasieger Ma Long aus China von der Spitze der Weltrangliste zu verdrängen.

Unstrittig ist: Owtscharow profitiert bei diesem Erfolg auch von einem neuen Weltranglistensystem, das Vielspieler wie ihn ab Januar begünstigt. Unstrittig ist auch: Die Superstars aus China haben gerade durch Verletzungsprobleme und den Austausch ihres nahezu kompletten Trainerteams ungewohnt große sportliche Probleme. Roßkopf betonte am Freitag aber genauso: »Dima hat es sich redlich verdient, die Nummer eins der Welt zu werden. Das ist eine tolle Bestätigung für seine Leistungen.«

Mit Asienmeister Fan Zhendong schlug Owtscharow im November erstmals einen der beiden bis dato unantastbaren Chinesen. Mit seinem Sieg gegen Koki Niwa gelang ihm am Freitag auch eine Revanche für seine bitterste Niederlage in diesem Jahr. Gegen den Weltranglistenachten hatte er im Juni bei der WM in Düsseldorf im Achtelfinale verloren.

Die »Stuttgarter Zeitung« nannte Owtscharow in dieser Woche einen Schwamm. »Einer, der alles aufsaugt. Einer, der alles wissen will und in die Tiefen dieses komplexen Sports eintaucht. Einer, der die DNA des Tischtennis entschlüsseln möchte und beim Frühstück Youtube-Videos der Gegner auf dem Smartphone studiert.«

Schon vor den Erfolgen in diesem Jahr gewann Owtscharow im Einzel zwei EM-Titel sowie Olympiabronze 2012. Zu seiner Karriere gehört aber auch ein entkräfteter Dopingverdacht aus dem Jahr 2010, als er zunächst positiv auf das Kälbermastmittel Clenbuterol getestet wurde, sich dann aber herausstellte, dass er in China verseuchtes Fleisch gegessen hatte. Sieben Jahre später steht er an der Spitze der Tischtenniswelt. Und plötzlich ergeben sich Perspektiven, an die er nie richtig geglaubt hat. Im Mai findet in Schweden die Mannschafts-WM statt. Und den jahrelang unschlagbaren Chinesen steht dann ein deutsches Team gegenüber, zu dem der neue Weltranglisten-Erste und der Welt-Tischtennis-Spieler des Jahres 2017, Timo Boll, gehört. dpa/nd

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