Ein patriotisches Loblied

Der Film »Die Cyborgs« ist die erfolgreichste Kinoproduktion dieses Jahres in der Ukraine, politisch aber umstritten

  • Denis Trubetskoy
  • Lesedauer: 3 Min.
Für die Ukraine hat die Schlacht um den Flughafen Donezk einen besonderen Symbolcharakter. 242 Tage lang, zwischen Mai 2014 und Januar 2015, haben die ukrainische Armee und Freiwilligenbataillone den zur Fußball-EM 2012 erneuerten Flughafen verteidigt. Die Verteidigung galt fast von Anfang an als hoffnungslos, die Ukraine brauchte am Beginn des Donbass-Krieges aber unbedingt eine Heldengeschichte. Diese hat sie bekommen: Angeblich waren sogar prorussische Separatisten so stark vom Mut der ukrainischen Soldaten überzeugt, dass sie diese »Cyborgs« nannten. Eine Bestätigung dafür liegt zwar nicht vor, der Spitzname hat sich jedoch schnell etabliert. Der Flughafen wurde am Ende der Schlacht völlig zerstört.

Vor eineinhalb Wochen lief nun der groß angekündigte Spielfilm »Die Cyborgs« in den ukrainischen Kinos an. Dass der Film des Regisseurs Achtem Sejitablajew beste Erfolgschancen hat, war bereits seit der Ankündigung des Projekts klar. Schließlich spielt der immer noch andauernde Krieg im Donbass eine große Rolle im Alltagsleben der Ukraine - und der Kampf um den Donezker Flughafen ist ein besonders emotionales Kapitel davon. Das tatsächliche Ausmaß des Erfolgs war jedoch überraschend: Schon kurz nach dem Start des Films lag er auf dem ersten Platz der Kinocharts, noch vor allen ausländischen Produktionen. Damit hat der Streifen alle Chancen, der wohl erfolgreichste Film der ukrainischen Geschichte zu werden.

Die Handlung von »Die Cyborgs« spielt innerhalb von zwei Wochen im September 2014. Eine Gruppe ukrainischer Freiwilliger kommt zum ersten Mal zum Flughafen Donezk, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit vier Monaten verteidigt wird. Die große Eskalation um den strategisch wichtigen Flughafen beginnt allerdings erst jetzt. Der Hauptprotagonist ist ein Musiker und Sohn reicher Eltern, der den Spitznamen »Maschor« trägt - so werden im postsowjetischen Raum Jugendliche aus wohlhabenden Familien genannt. Dieser »Maschor« verließ heimlich seine Familie, um im Donbass kämpfen zu können. Die Geschichte des Films wird aus seiner Perspektive erzählt, begleitet wird Maschor von sechs weiteren Freiwilligen; auch ihre Lebensgeschichten werden geschildert. Die Protagonisten sind angeblich nicht frei erfunden, sondern haben reale Vorbilder.

»Die Cyborgs« stellen eine sehr emotionale und rein ukrainische Sichtweise auf den Krieg im Donbass dar. Die ukrainische Armee verkörpert das vermeintlich Gute, das gegen die bösen Separatisten kämpft. Gleichzeitig ist der Film kritischer, als von einigen Experten erwartet. So schimpfen die Freiwilligen mehrfach über die Staatsführung oder die ukrainische Politik. Unübersehbar ist aber auch ein schwulstiges, propagandistisches Patriotismus-Gefühl, ganz nach dem Motto: Wir sind keine Anhänger der Politik, lieben aber trotzdem unser Land.

Dass der Film zu vielen emotionalen Debatten führen wird, war schon am Ende der Pressepräsentation zu bemerken, da viele Journalisten laut geklatscht oder sogar geweint haben - eine untypische Reaktion für Medienvertreter, auch in der Ukraine. Eine der Debatten dreht sich darum, ob es in Ordnung sei, einen Spielfilm über einen andauernden Krieg zu drehen. Zum anderen wird heftig darüber diskutiert, ob es überhaupt militärisch notwendig war, den Flughafen Donezk zu verteidigen, obwohl die Lage von Anfang an hoffnungslos war - ein wichtiger Kritikpunkt, der in dem Film keine Rolle spielt. Auch die Motivation der Protagonisten wirkt wie einem Hollywood-Film entnommen - und hat nicht mit dem real existierenden Krieg im Osten der Ukraine zu tun.

In Russland blieben »Die Cyborgs« ebenfalls nicht ohne Aufmerksamkeit. »Mal wieder versuchen die Ukrainer, eine Niederlage als Heldentat zu verkaufen«, hieß es zum Beispiel im Fernsehsender Rossija 1. Der Erfolg des Films spricht auch dafür, dass diese Strategie funktioniert.

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