Wider die Wunderheizdecke

Schärfere Regeln sollen unseriöse Kaffeefahrten stoppen

  • Margret Scholtyssek und Sascha Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Busfahrt zu einem schönen Ausflugsziel - gerade für viele Senioren ist das eine willkommene Abwechslung. Doch oft ist die Tagesreise mit Verkaufsveranstaltungen verbunden. Was dann als angeblich preiswertes Schnäppchen angeboten wird, reicht von Decken über Matratzen und Kochtöpfe bis zu Medikamenten und vermeintlichen Wunderheilmitteln. Viele Veranstalter locken auch noch mit Geschenk- und Gewinnversprechen. Jetzt ergreift der Bundesrat erneut eine Initiative, um verbreiteter Abzocke einen Riegel vorzuschieben.

Jahr für Jahr nehmen Schätzungen zufolge bis zu fünf Millionen Menschen an solchen Kaffeefahrten teil. Doch zu oft geht es dabei nicht seriös zu. »Die Verletzlichkeit der Teilnehmer wird mit aggressiven und irreführenden Verkaufsmethoden zu ihrem finanziellen Nachteil ausgenutzt«, heißt es in einem Gesetzentwurf, den Bayern erarbeitet hat. Verletzlichkeit soll heißen, dass es gerade vielen älteren Menschen schwerer fällt, sich gegen Überrumpelung zu wappnen.

Der Bundesrat hatte deshalb schon 2015 einen Vorstoß unternommen und den Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Doch das Parlament befasste sich dann nicht damit, so dass der Entwurf mit Ende der Wahlperiode hinfällig wurde. Am vergangenen Freitag beschloss die Länderkammer also einen zweiten Anlauf und schickte den Entwurf noch mal auf die Reise, damit sich das Parlament endlich damit auseinandersetzt.

Konkret geht es den Ländern darum, das rechtliche Instrumentarium zu schärfen. Da sind vor allem Verkaufsverbote: Für Finanzprodukte, die oft komplex sind, eine sorgfältige Beratung erfordern und dass man auch mal eine Nacht darüber schläft. Für Nahrungsergänzungsmittel, die gerade Älteren aufgeschwatzt werden können. Für Medizinprodukte, zu denen auch Geräte wie Heizdecken oder Rotlichtlampen gehören. Für Pauschalreisen, die teils knifflige Zusatzkosten enthalten können. Verschärft werden sollen nach Vorstellung der Länder auch Regeln für das amtliche Anzeigen solcher Verkaufstouren und die Bußgelder.

Polizei und Verbraucherschützer warnen immer wieder vor betrügerischen Kaffeefahrten, bei denen Verkäufer Reisenden Geld aus der Tasche ziehen wollen. Einige Beispiele:

Eine besonders dreiste Abzocke versuchten Betrüger 2016: Sie lockten fünf ältere Damen und Herren aus der Schweiz mit einem Gewinnversprechen und Geschenken zu einer Fahrt nach Rheinfelden in Deutschland. Bei einem Mittagessen wurde eine 83-Jährige als Hauptgewinnerin eines Preisausschreibens genannt. Um den Gewinn von 480 000 Schweizer Franken (440 000 Euro) zu erhalten, sollte sie eine Gewinnsteuer in Höhe von 25 000 Schweizer Franken zahlen. Die Seniorin fuhr mit den Betrügern wieder über die Grenze zurück in die Schweiz, um den Betrag abzuheben. Die Bankangestellte wurde misstrauisch und verständigte die Polizei.

Bei einer Verkaufsveranstaltung 2014 in einer Gaststätte in Süchteln (Nordrhein-Westfalen) wurde Teilnehmern ein Luxmeter für 1650 Euro angedreht. Das Gerät, das Lichtstärken messen kann, war im Versandhandel für etwa 140 Euro zu haben. Es konnte auch nicht, wie von den Verkäufern behauptet, gesundheitliche Beschwerden therapieren.

Ein Mann vertrieb bei Verkaufsveranstaltungen vermeintliche Gratis-Reisen und verlangte dafür eine Bearbeitungsgebühr von 49 Euro. Doch oft gab er deutlich höhere Beträge in das EC-Lesegerät ein. Die meist betagten Opfer sollen so um insgesamt etwa 10 000 Euro geprellt worden sein. Das Landgericht Schwerin verurteilte den Mann 2014 wegen Betruges zu einer Bewährungsstrafe.

Die Polizei löste 2015 eine Kaffeefahrt-Veranstaltung in einer Gaststätte in Schönebeck (Sachsen-Anhalt) auf. Dort waren Matratzenauflagen mit angeblicher medizinischer Heilwirkung für mehrere Hundert Euro pro Stück angeboten worden. dpa/nd

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