• Politik
  • Debatte über Leistungen für Flüchtlinge

SPD erteilt CSU-Forderung nach Leistungskürzungen Absage

Unionspolitiker Mayer fordert weniger Mittel für Asylsuchende / Stegner: »All diese Dinge wird es mit der SPD nicht geben«

  • Lesedauer: 3 Min.

Frankfurt am Main. Vor einem erneuten Treffen zur Regierungsbildung ist bei der SPD deutliche Kritik an den asylpolitischen Forderungen der CSU laut geworden. SPD-Vize Ralf Stegner erteilte den Vorschlägen der Christsozialen zur Absenkung von Sozialleistungen für Flüchtlinge am Mittwoch im RBB Sender Radioeins eine klare Absage. »All diese Dinge wird es mit der SPD nicht geben, das weiß die CSU auch.«

Die CSU trete »sehr verbalradikal« auf und nehme Positionen ein, die nicht einmal die Schwesterpartei CDU vertrete, sagte Stegner. Er rief die Union zugleich zur Kompromissbereitschaft auf. Wer wolle, dass die Parteien zusammenfinden, »muss auf einen gemeinsamen Boden kommen«, sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende.

Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer hatte zuvor eine Absenkung der Leistungen für Asylsuchende gefordert. »Wir müssen die Anreize für Migranten weiter reduzieren, nach Deutschland zu kommen«, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor Beginn der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten der »Passauer Neuen Presse« (Mittwoch). Das gelte zuvorderst für diejenigen, die keine Aussicht auf Anerkennung hätten. Vor allem für ausreisepflichtige Menschen müssten die Asylleistungen massiv zurückgefahren werden, um den Druck zu erhöhen, Deutschland schneller zu verlassen.

»Bisher werden die Leistungen 15 Monate lang reduziert gezahlt. Künftig sollte die Einschränkung auf 36 Monate verlängert werden«, erläuterte der Innenpolitiker das Asylkonzept, das die Bundestagsabgeordneten der CSU ab Donnerstag in Kloster Seeon beraten und beschließen wollen. Abgelehnte Flüchtlinge sollten demnach »nur noch Sachleistungen bekommen und Geldleistungen in sehr geringem Umfang«, sagte Mayer.

Auch das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kritisierte das Konzept. »Die Kürzung der Sozialleistungen für Asylbewerber und Flüchtlinge wäre integrationspolitisch falsch und verfassungsrechtlich fragwürdig«, sagte der Chef der Migrationsforschung des Instituts der Bundesagentur für Arbeit, Herbert Brücker, der in Düsseldorf erscheinenden »Rheinischen Post« (Mittwoch). »Durch eine Kürzung würde nur der Anreiz verstärkt, in die Schwarzarbeit zu gehen oder kriminell zu werden. Das kulturelle und soziale Existenzminimum wird in Deutschland für jeden Bürger staatlich garantiert, egal, ob jemand Migrationshintergrund hat oder nicht«, sagte der IAB-Forscher.

Bundesverfassungsgericht forderte 2012 Erhöhung der Leistungen

Das Bundesverfassungsgericht formulierte in einem Urteil vom 18. Juli 2012 klare Vorgaben für die Höhe der staatlichen Geldleistungen für Asylbewerber in Deutschland (AZ: 1 BvL 10/10 und 2/11). Damals hatten die Karlsruher Richter die Leistungen für Asylbewerber für »evident unzureichend« und damit verfassungswidrig erklärt. Die Geldleistungen lagen um 35 Prozent unter denen für Hartz-IV-Bezieher, welche schon als Existenzminimum gelten. Die Bundesregierung musste das Asylbewerberleistungsgesetz korrigieren.

Die Richter urteilten, das menschenwürdige Existenzminimum stehe deutschen und ausländischen Staatsangehörigen gleichermaßen zu. Es sichere nicht nur das körperliche Überleben, sondern auch »ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben«, hieß es zur Begründung.

Maßgeblich für die Berechnung seien die Verhältnisse in Deutschland, erklärte das Gericht weiter. »Migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen.«

IAB-Forscher Brücker widersprach der Auffassung der CSU, die Höhe der Sozialleistungen sei ein besonders wichtiger Faktor für Flüchtlinge, Deutschland als Zielland auszuwählen. »Deutschland liegt bei den Sozialleistungen für Migranten im Mittelfeld der westlichen Industriestaaten«, sagte der Forscher. »Aus unseren Umfragen geht hervor, dass der Schutz der Menschenrechte, das Bildungssystem und die gute wirtschaftliche Lage für Migranten wichtigere Gründe sind, nach Deutschland zu kommen, als die Höhe der Sozialleistungen«, sagte der Experte. epd/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal