Schüsse auf kurdischen Fußballer Deniz Naki

Staatsanwaltschaft ermittelt in alle Richtungen / Politiker vermuten Anschlag von Erdogan-Unterstützern

  • Lesedauer: 3 Min.

Düren. Der Fußballprofi Deniz Naki ist nachts auf der Autobahn nahe Düren aus einem fahrenden Wagen beschossen worden. Die Aachener Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen versuchter Tötung gegen Unbekannt aufgenommen. Auf das Auto des 28-jährigen Deutsch-Türken kurdischer Abstammung seien kurz vor Mitternacht auf der A4 mehrere Schüsse abgegeben worden, bestätigte Staatsanwältin Katja Schlenkermann am Montag. »Wir ermitteln in alle Richtungen.« Eine politisch motivierte Tat sei nicht auszuschließen.

Der aus Düren stammende frühere Spieler der deutschen U21-Nationalmannschaft vermutet bei dem Angriff einen politischen Hintergrund. Gegenüber der »Welt« sprach Naki von einem Mordanschlag. »Ich hätte sterben können. Und es hat ja nicht viel dazu gefehlt.« Er habe Todesangst gehabt. Die Schüsse seien aus einem Kombi abgefeuert worden, zwei Kugeln hätten sein Auto getroffen.

Er hält für möglich, dass ein Agent des türkischen Geheimdienstes dahintersteckt, »oder ein anderer, dem meine politische Haltung nicht passt«. Der Fußballer sagte gegenüber dem Magazin »Bento«, in der Türkei sei er »eine laufende Zielscheibe«, weil er sich pro-kurdisch äußere. Der Profi - einst beim FC St. Pauli und SC Paderborn unter Vertrag - spielt aktuell beim türkischen Drittligisten Amed SK in der Kurdenmetropole Diyarbakir. Die technischen Untersuchungen am beschädigten Auto des Sportlers dauerten an, sagte die Staatsanwältin.

Naki war im Frühjahr 2017 von einem türkischen Gericht wegen angeblicher »Terrorpropaganda« für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu einer Bewährungsstrafe von rund 18 Monaten verurteilt worden. Sein Anwalt kritisierte die Entscheidung als »willkürlich«.

Der Fußballverein FC St. Pauli erklärte am Montag seine Solidarität mit seinem ehemaligen Spieler: »Wir sind schockiert und fassungslos, aber heilfroh, dass du wohlauf bist. Für immer mit dir!«

Politiker forderten derweil ein hartes Durchgreifen gegen in Deutschland aktive Handlanger der türkischen Regierung. »Dass ein Netzwerk Erdoğans hier die Sicherheit gefährdet, ist längst bekannt - warum wird dagegen nichts unternommen, Frau Merkel, Herr de Maizière?«, fragte die LINKE-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen am Montag. »Oppositionelle in Deutschland sind nicht sicher«, fügte Cansu Özdemir, Ko-Vorsitzende der Hamburger Linksfraktion, hinzu. »Ich befürchte, die Mordkommandos Erdoğans werden solange weitermachen, bis jeder unbequeme Mensch schweigt.« Der grüne Europapolitiker Jan Philipp Albrecht schlug in die gleiche Kerbe: »Ich bin gespannt auf die Reaktion von Sigmar Gabriel, dessen Charmoffensive jetzt wie ein lächerliches Anbiedern wirkt.«

Dass die Vorwürfe nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigen verschiedene Fälle: Laut Medienberichten vom Dezember hatte etwa im vergangenen Jahr ein Erdoğan-Vertrauter die Rockergruppe »Osmanen Germania« beauftragt, eine »Bestrafungsaktion« gegen Jan Böhmermann durchzuführen. Der Satiriker stand daraufhin unter Polizeischutz. 2013 erschoss ein mutmaßlicher Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes drei PKK-Aktivistinnen in Paris - laut französischen Ermittlern möglicherweise mit Unterstützung. dpa/nd

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