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Zu viel Ausnahme von der Regel

Mehr Hausbesitzer nutzen Schlupfloch, um Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.
Für Mieter in Milieuschutzgebieten gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Anteilig am Gesamtbestand wurden weniger Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt. Die schlechte: 94 Prozent der Anträge wurden genehmigt. Das ist Ergebnis des Jahresberichts zur Umwandlungsverordnung für das Jahr 2016, den die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen am Dienstag veröffentlichte.

Die Umwandlungsverordnung wurde 2015 beschlossen. Sie sieht vor, dass sich Hausbesitzer die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen vom jeweiligen Bezirksamt genehmigen lassen müssen. Genehmigt werden können Anträge nur - müssen aber auch - , wenn sich die Eigentümer verpflichten, die Wohnungen innerhalb der nächsten sieben Jahr nur an die Mieter zu verkaufen. Das ist auch der Grund für die hohe Zahl der Genehmigungen. 2015 hatten sich noch 76 Prozent der Anträge auf diese Ausnahme bezogen. 2016 waren es bereits 91 Prozent. Damit musste den meisten Wünschen entsprochen werden.

Die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger sieht die Ergebnisse kritisch. Positiv sieht die Sprecherin für Wohnen und Mieten der Grünenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus: »Es ist ein Erfolg von Rot-Rot-Grün, dass wir jetzt mehr Milieuschutzgebiete haben. Das haben wir schon lange gefordert«, sagte sie dem »nd«. Einzelne Bezirke hätten auf dem Gebiet aber noch Nachholbedarf.

Auf der Negativseite verbuchte Schmidberger die Regelung, dass es erlaubt ist, die Wohnungen an Mieter zu verkaufen. »Die Regelung klingt in der Theorie nicht so dramatisch«, so Schmidberger. Es sei aber nicht eindeutig geklärt, wer als Mieter gelte beziehungsweise ob nur jene Eigentümer werden können, die zum Zeitpunkt des Antrags in der jeweiligen Wohnung lebten.

Da das aber eine bundesgesetzliche Regelung sei, könne das Land Berlin die Regelung nicht selbstständig aushebeln. »Wir fordern schon lange eine Bundesratsinitiative«, sagte Schmidberger. Die Chancen auf Erfolg sehe sie bei den aktuellen Stimmverhältnissen im Bundesrat aber als schlecht an.

Auch für Michail Nelken, wohnpolitischer Sprecher der Linksfraktion, gehört die Siebenjahresregel abgeschafft. »Der Ausnahmetatbestand ist ein Scheunentor, um das Umwandlungsverbot zu umgehen«, sagte er dem »nd«. Die Regel müsse deshalb aus dem Bundesgesetz herausgestrichen werden. Solange das nicht der Fall sei, müsse der Senat aber nicht untätig bleiben: »Das Land Berlin sollte überlegen, die Regel restriktiver auszulegen« - nämlich beispielsweise, indem nur derjenige Mieter die Wohnung kaufen dürfe, der zum Zeitpunkt des Antrags auch tatsächlich in der Wohnung lebte.

Katrin Schmidberger beunruhigt noch ein weiterer Aspekt, den der Jahresbericht deutlich gemacht hat: Die meisten Anträge auf Umwandlung wurden 2016 von »sonstigen juristischen Personen« gestellt. Hinter der Formulierung stecken meist große Investoren. Während deren Anteil 2015 bei 53 Prozent lag, waren es 2016 bereits 69 Prozent.

Milieuschutzgebiete heißen offiziell soziale Erhaltungsgebiete. Sie wurden in Berlin Mitte der 1990er Jahre eingeführt. Die Umwandlungsverordnung trat am 14. März 2015 in Kraft und gilt bis zum 13. März 2020, wenn sie nicht erneut beschlossen wird.

2015 gab es in Berlin 22 soziale Erhaltungsgebiete. 2016 waren es 34 in den sechs Bezirken Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow, Neukölln, Tempelhof-Schöneberg und Treptow-Köpenick. In den sechs Bezirken zusammen gab es 2016 rund 289 000 Wohnungen und rund 532 000 Einwohner. Für 3376 Wohnungen wurden Anträge auf Umwandlung gestellt. Genehmigt wurden 3166. 144 Anträge wurden abgelehnt.

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