Mit neuen Tricks zu Primatenklonen

Die beiden Javaner-Äffchen aus Schanghai verdanken ihre genetische Ausstattung keinen ausgewachsenen Vorbildern, sondern Föten.

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch 22 Jahre nach der Geburt des Klonschafs Dolly ist das Klonen von Primaten offenbar noch extrem schwierig. Der Klonspezialist Shoukrat Mitalipov von der Oregon Health and Science University (USA), der in den 2000er Jahren ähnliches versucht hatte, gratulierte den chinesischen Forschern deshalb zu ihrem Erfolg. Mitalipov hatte seinerzeit mit mehr als 15 000 Eizellen versucht Affenklone zu erzeugen. Zwar bekam er auf diese Weise embryonale Stammzellen, doch kam es bei keiner der äffischen Leihmütter zu einer Lebendgeburt.

Das Team um Qiang Sun vom Institut für Neurowissenschaft der staatlichen Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai scheiterte im ersten Anlauf ebenfalls. Dabei hatten sie sich bereits einer gegenüber dem alten Dolly-Verfahren leicht veränderten Technik bedient und zusammen mit dem chemisch aktivierten Erbgut der erwachsenen Zellen noch einen speziellen Botenstoff in die entkernten Eizellen gespritzt, der auch tieferliegende Erbgutteile aktivieren soll. Doch von knapp 200 aus dem Erbgut erwachsener Affen gewonnenen Embryonen kam es zwar bei zwei von 42 Leihmuttertieren zu Lebendgeburten, doch starben diese Affenbabys wenige Stunden später.

Mehr Erfolg hatten die Forscher erst, als sie Erbgut aus noch nicht so stark spezialisierten Zellen in Affen-Föten entnahmen und dies in entkernte Eizellen einfügten. Von rund 100 Embryonen, die Leihmüttern eingepflanzt worden waren, kam es bei 21 Tieren zu sechs Schwangerschaften. Zwei Jungtiere kamen danach lebendig zur Welt und überlebten mindestens die ersten 40 sowie 50 Tage, berichtet das Forscherteam im Fachjournal »Cell«.

»Technisch-methodisch gesehen ist diese Arbeit ganz klar ein Fortschritt«, meint Rüdiger Behr vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) in Göttingen. Behr vermutet allerdings, dass sich das Verfahren nicht ohne weitere Anpassungen bei anderen Primaten anwenden ließe. Der Reproduktionsmediziner Stefan Schlatt von der Uni Münster glaubt aber, dass diese Affen - genauso wie einst Dolly - kein vollständig gesundes Erbgut aufweisen, so dass die Versuche in China die Kritik eher befeuern als beruhigen werden.

Auch Daniel Besser, Geschäftsführer des Deutschen Stammzellnetzwerks, sieht die Ergebnisse der chinesischen Kollegen als bedeutende Weiterentwicklung an. Er rät nach den Fälschungsskandalen bei früheren Klonversuchen jedoch zur Vorsicht. »Erst wenn sich die Ergebnisse in verschiedenen Laboren der Welt bestätigen lassen, ist klar, dass sie stimmig sind.«

Den chinesischen Forschern geht es nach eigenem Bekunden nicht um eine Ausweitung auf andere Primaten oder gar den Menschen. Ihr Ziel sind genetisch identische Versuchstiere für die Erprobung neuer Heilverfahren und Medikamente. DPZ-Direktor Stefan Treue meint, die »vorgestellte Methode hat das Potenzial, durch erhöhte Standardisierung von Tierversuchen mit Primaten - wie sie bei Nagern schon länger möglich ist - eine Verringerung der Tierversuchszahlen zu erreichen«. Auch die Rolle spezifischer Gene für verschiedene Krankheiten ließe sich mit solchen Tierlinien mit geringeren Tierzahlen erforschen. Kritiker bezweifeln das. Bisher hat die Einführung neuer gentechnisch veränderter Modellorganismen eher den Bedarf an Versuchstieren erhöht.

»Wir sind uns bewusst, dass zukünftige Forschung an nicht-menschlichen Primaten überall auf der Welt davon abhängt, dass Wissenschaftler strikte ethische Standards einhalten«, erklärte der an der neuen Studie beteiligte Neurologe Mu-Ming Poo in einer Pressemitteilung. Er betont, dass sein Team sich an internationale Richtlinien gehalten habe. Gleichzeitig ruft er die wissenschaftliche Gemeinschaft auf, die ethischen Grenzen von Klonversuchen an Affen international zu diskutieren.

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