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Polen und Israel suchen Dialog im Streit über Holocaust-Gesetz

Polnische Außenminister äußert Verständnis für Kritik aus Tel Aviv / Charlotte Knobloch warnt vor »falschen Wahrheiten«

  • Lesedauer: 2 Min.

Tel Aviv. Israel und Polen suchen nach israelischen Angaben das Gespräch im Streit über die Mitschuld von Polen an der Ermordung von Juden während des Holocaust. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki hätten am Sonntagabend miteinander telefoniert, teilte Netanjahus Büro in der Nacht zum Montag mit. Arbeitsgruppen beider Länder würden »sofort einen Dialog aufnehmen, um zu versuchen, Einigungen bezüglich der Gesetzgebung zu erreichen«, hieß es in der Mitteilung.

Auslöser des Streits ist eine verschärfte polnische Strafvorschrift. Demnach soll die historisch falsche Bezeichnung »polnische Todeslager« für deutsche Vernichtungslager der Nazis im besetzten Polen während des Zweiten Weltkriegs künftig mit Geldstrafen oder Gefängnis von bis zu drei Jahren bestraft werden. Israels Ministerpräsident Netanjahu hatte das Gesetz zuvor in scharfer Form zurückgewiesen: »Geschichte kann nicht geändert werden und der Holocaust darf nicht geleugnet werden«, sagte er am Sonntag. Israels Botschafterin in Warschau habe am Rande einer Gedenkzeremonie mit Morawiecki darüber gesprochen. Israel bestehe auf einer Änderung des Gesetzesentwurfs.

Der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz äußerte am Sonntag Verständnis für die Kritik in Israel. »Manche Formulierungen könnten missverständlich sein«, räumte er in einem TV-Interview ein. Es gehe Warschau nicht darum, wissenschaftliche oder künstlerische Diskussionen über den Holocaust zu verbieten. Man wolle »sich nur gegen unwahre Schuldzuweisungen wehren, als ob Vernichtungslager in Polen von Polen selbst errichtet worden wären. Ich denke, dass Polen in der Welt Verbrechen zugeschrieben werden, die nicht Polen begangen hat.«

Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, hat derweil vor »falschen Wahrheiten« gewarnt. Das neue Gesetz habe aus historischer Sicht »seine Berechtigung, aber es darf keine Nebelkerze sein«, erklärte Knobloch am Montag in München. Es sei »unzweifelhaft, dass der Antisemitismus in Polen bereits vor dem Angriff der Wehrmacht im Jahr 1939 für die Juden in Polen ein gefährliches Ausmaß hatte«. Es müsse auch möglich bleiben, die Verstrickung polnischer Mitläufer und Täter im Holocaust aufzudecken, zu benennen und zu verurteilen, erklärte Knobloch weiter. Agenturen/nd

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