Wann fällt die 50+1-Regel?

Der deutsche Fußball steht vor einer Grundsatzdebatte

  • Sebastian Stiekel und Lars Reinefeld, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 3 Min.

Eigentlich ging es nur um die Übernahme von Hannover 96. Jetzt aber steht die gesamte 50+1-Regel und die hoch umstrittene Frage, wie der deutsche Fußball mit externen Investoren umgeht, auf dem Prüfstand. Der langjährige 96-Boss Martin Kind ließ am Montag vor der mit Spannung erwarteten Präsidiumssitzung der Deutschen Fußball Liga (DFL) seinen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel und damit auf den Erwerb der Mehrheitsanteile an seinem Klub überraschend wieder ruhen - machte damit den Weg für eine Grundsatzdebatte frei.

Wie können sich die deutschen Vereine künftig für externe Geldgeber öffnen, um im internationalen Vergleich nicht weiter den Anschluss an Clubs aus England oder Spanien zu verlieren? Und wie kann gleichzeitig sichergestellt werden, dass die Vereine ihren Einfluss behalten und sich nicht vollständig an Investoren aus China, den USA oder dem arabischen Raum ausliefern? Diese entscheidenden Fragen will die DFL jetzt in einer »ergebnisoffenen Grundsatzdebatte« mit den 36 Erst- und Zweitligisten klären. »Aus Sicht des DFL-Präsidiums erscheint es zweckmäßig, in den kommenden Monaten die Formulierung und Umsetzung der 50+1-Regel zu überprüfen und dabei zu erörtern, wie wichtige Prinzipien der gelebten Fußballkultur in Deutschland zukunftssicher verankert werden können und ob gleichzeitig neue Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen sind«, heißt es in einer Erklärung vom Montag.

Vieles spricht dafür, dass die 50+1-Regel in ihrer bisherigen Form keine Zukunft mehr haben wird. Sie besagt, dass die Stammvereine auch nach einer Ausgliederung der Profiabteilungen in eine Kapitalgesellschaft weiter die Mehrheit der Stimmanteile besitzen müssen. Nur die Verantwortlichen von Borussia Dortmund, Borussia Mönchengladbach und des SC Freiburg wollen weiter an der Regel festhalten, die den Einfluss von Investoren in einem Verein begrenzt und die es so nur im deutschen Fußball gibt.

Klar ist: Alle Vertreter der Bundesliga und der DFL eint die Angst davor, dass jemand vor ein ordentliches Gericht zieht und die juristisch wackelige 50+1-Regel zu Fall bringt. »Das würde die Bundesliga dem freien Spiel der Kräfte überlassen«, sagte Axel Hellmann, Vorstand von Eintracht Frankfurt. Deshalb will der Profifußball seine Regeln weiter selbst aufstellen, diese in Zukunft aber deutlich rechtssicherer gestalten.

In der englischen Premier League sind aktuell 12 von 20 Vereinen in der Hand ausländischer Besitzer. Auch in vielen anderen europäischen Ligen finden sich längst namhafte Beispiele wie Paris Saint Germain, der AC Mailand oder Slavia Prag, die Investoren aus Katar oder China gehören.

Martin Kind wollte mit seinem Antrag eine Ausnahmegenehmigung erhalten, wie sie bereits beim VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen und 1899 Hoffenheim gilt. Denn die Statuten der DFL sehen auch vor: Wenn eine Person oder ein Unternehmen einen Verein seit mindestens 20 Jahren kontinuierlich und in großem Maße finanziell fördern, dann dürfen sie auch die Mehrheitsanteile an diesem Klub übernehmen. Nun könnte 50+1 auf Umwegen zu Fall gebracht werden. dpa/nd

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