Radioaktive Phosphatmine Huelva

Streit zwischen Greenpeace und der andalusischen Regionalregierung

  • Ralf Streck, San Sebastian
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Umweltorganisation Greenpeace hat das Europaparlament aufgefordert, die als Mülldeponie genutzte Phosphatmine Huelva in Südspanien zur »radioaktiven Anlage« zu erklären. Grund: eine große Menge strahlenden Mülls.
Ein Auswärtiger, der die südspanische Stadt Huelva besucht, könnte die riesige weiße Fläche am Stadtrand für Meersalz halten. Schließlich ist das Mittelmeer nahe. Doch weit gefehlt, denn in einer Phosphatmine und den Senken eines Feuchtgebiets wurden auf 1200 Hektar Fläche hier zwischen 70 und 120 Millionen Tonnen Industrieabfälle abgekippt, die sich zu kleinen Hügeln mit bis zu fünf Metern Höhe auftürmen. Die enthalten nach Angaben der Umweltschutzorganisation Greenpeace nicht nur gefährliche Schwermetalle, sondern sind auch radioaktiv. Mehrfach hat Greenpeace, auf der Fläche, die so groß wie 2400 Fußballfelder ist, Messungen vorgenommen. Danach würde ein Mensch auf dem offen zugänglichen Gelände der 20 bis 30fachen Strahlendosis ausgesetzt, der er nach geltendem Recht über den Zeitraum von einem Jahr verteilt ausgesetzt sein dürfte. Die Messungen wurden nun im Beisein des grünen Europaparlamentariers und Mitglieds des Petitionsausschusses David Hammerstein wiederholt, wobei in der Zone CRI 9 die 25fache Menge der erlaubten Jahresdosis gemessen worden sei. Hier seien nicht nur die Industrieabfälle aus der Herstellung von Phosphorsäure abgelagert worden, die schwach radioaktiv sind, sondern auch mit Cäsium-137 verseuchte Abfälle, die aus einem Unfall 1998 in einer Anlage des Stahlunternehmens Acerinox stammen. Damals war in einem Schmelzofen im südspanischen Algeciras irrtümlich ein medizinischer Cäsium-Strahler mit dem Schrott eingeschmolzen worden. Nach Angaben des Kontrollrats für nukleare Sicherheit (CSN) liegt die Radioaktivität der bei Huelva ebenfalls abgelagerten Asche aus dem Hochofen sogar 3500fach über dem erlaubten Wert, berichtet Greenpeace. Nach dem Besuch von Hammerstein wird die Organisation nun formal eine Petition bei dem Ausschuss einreichen, weil nach ihrer Einschätzung die europäischen Richtlinien für radioaktive Strahlung, für giftige und gefährliche Abfälle und für den Trinkwasserschutz verletzt werden. Greenpeace will erreichen, dass über die EU die Halde als »radioaktive Anlage« eingestuft und entsprechend gesichert wird. Die lokalen Behörden in Andalusien und die übergeordneten Behörden in der Hauptstadt Madrid schauten dem zum Teil illegalen Treiben bisher nur zu. »Das Risiko, dem die Bevölkerung ausgesetzt wird, ist nicht hinnehmbar«, beklagt Greenpeace gemeinsam mit der Grünen Partei und lokalen Bürgerinitiativen. Das Gesundheitsministerium von Andalusien versuche weiterhin die Gefährdungen klein zu reden und stelle die Interessen der Industrie über die Gesundheit der Bürger, Tatsächlich ist die Krebssterblichkeit in Huelva so hoch wie nirgends sonst in Spanien. Das Gesundheitsministerium der sozialistischen andalusischen Regionalregierung macht dafür aber starken Tabakkonsum der Bevölkerung und die hohe Verkehrsdichte verantwortlich. Die Umweltschutzbeauftragte Isabel Rodríguez erklärte inzwischen die Greenpeace-Messungen einfach für falsch. Allerdings widerspricht sich das Gesundheitsministerium selbst, wenn der besonders starke Tabakkonsum für die hohe Krebsrate angeführt wird. Denn in einer eigenen Studie siedelt das gleiche Ministerium Huelva beim Tabakkonsum sogar unter dem Durchschnitt in Andalusien an. Eine Bürgerinitiative, die für die Dekontaminierung eintritt, spricht auch von einer erhöhten Sterilitätsrate, einer hohen Zahl ungewollter Schwangerschaftsabbrüche und zahlreichen Atemwegserkrankungen. Huelva soll auch die Stadt mit der höchsten Rate von Asthmatikern in Spanien sein. Mit Erstaunen nehmen die Umweltschützer auch zur Kenntnis, dass in der nordspanischen Region Katalonien gehandelt wird. Dort sei begonnen worden, am Fluss Ebro 700 000 Tonnen gleichartiger Abfälle abzutragen. Das ist eine 2000fach geringere Menge, um die es in Huelva geht. In beiden Fällen stellt sich allerdings die Frage nach korrekter Entsorgung.

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