Bangen um ein Symbol

Dem Denkmal für die Schlacht an der Sutjeska in Bosnien droht durch einen Erdrutsch das Ende

  • Elke Windisch, Dubrovnik
  • Lesedauer: 3 Min.

Ob in Zagreb, Belgrad oder Sarajevo - es ist derzeit nicht die hohe Politik, die die Menschen dazu bringt, sich die Abendnachrichten im Fernsehen in voller Länge anzusehen. Viele Kroaten, Serben und Bosnier bangen um das Denkmal für die Schlacht an der Sutjeska. Sie war eine der blutigsten im Zweiten Weltkrieg und Anfang vom Ende Hitlers auf dem Balkan. Es war ein ungleicher Kampf. Den über 300 Bombern und rund 127 000 Soldaten der Achsenmächte standen nur 18 000 Kämpfer der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee gegenüber, ohne Luftwaffe. Jeder dritte fiel. Gemeinsamer Stolz auf den Sieg der Partisanen im Juni 1943 nach vierwöchigen Kämpfen, aus eigener Kraft, ohne Hilfe der Roten Armee und der Westalliierten - das gehöre zu dem Wenigen, was die Menschen in Ex-Jugoslawien noch verbindet, sagt Bakir Nakaš, Vorsitzender der Union der Antifaschisten in Bosnien und Herzegowina.

Tausende scheuen zum Jahrestag weder die Kosten noch den oft weiten Weg und die vielen Grenzen, mit denen die einstigen »Bruderrepubliken« sich inzwischen voneinander abschotten. Still gedenken sie im »Tal der Helden« nicht nur der Toten von damals, sondern auch der Opfer der Teilungskriege in den Neunzigerjahren. Doch nun wankt der Boden unter dem Denkmal. Das Monument wurde auf einem Hügel errichtet. Mehrere hundert Stufen, die eine überdimensionale, auf den Kopf gestellte Acht bilden, führen zu zwei jeweils 19 Meter hohen und 27 Meter breiten symmetrisch angeordneten Flügeln aus weißem Beton hinauf. Sie bilden einen Durchgang, auf dessen Innenseiten Marschkolonnen der Partisanen dargestellt sind. Tagelanger sintflutartiger Regen löste am Wochenende einen Erdrutsch aus, der bereits den halben Berg verschlang. Weitere Abbrüche halten die Kuratoren für wahrscheinlich.

Die Lage sei »sehr ernst«, so ein Mitarbeiter des Museums. Akut gefährdet sei das Beinhaus, in dem schon 1958 die bis dahin geborgenen sterblichen Überreste von rund 3300 Kämpfern beigesetzt wurden. Das eigentliche Denkmal, entworfen von Miodrag Živković, wurde 1971 nach zweijähriger Bauzeit enthüllt, im Beisein Titos, des einstigen Oberbefehlshabers und späteren Präsidenten Jugoslawiens. Fast zeitgleich begannen die Vorarbeiten für »Die fünfte Offensive«, dem Film zur Schlacht - eine Ost-Westkooperation im Kalten Krieg. Das Drehbuch schrieben der US-Amerikaner Orson Welles und der Russe Sergei Bondartschuk, der Brite Richard Burton spielte Tito. Der Film lief 1973 auch im DDR-Fernsehen.

Schon kurz nach der Einweihung hatte ein Erdrutsch Teile des Denkmals verwüstet. Damals habe die Volksarmee mit Pioniertruppen das Schlimmste verhindert, die Abbrüche seien auch kleiner gewesen, so Dejan Stanković. Er ist Direktor des Nationalparks, zu dem das »Tal der Helden« gehört, und sieht dunkelschwarz für die großen Pläne zum 75. Jahrestag der Schlacht im Juni. Die Führung der Republika Srpska, der bosnischen Serbenrepublik, auf deren Gebiet die Gedenkstätte liegt, hat trotz chronischer Ebbe in den Kassen nicht nur großzügig Mittel für die Sanierung des Denkmals bewilligt, sondern auch für Ausbau und Modernisierung der Nationalpark-Infrastruktur.

Das Canyon der Sutjeska ist von wilder, atemberaubender Schönheit, doch die Republika Srpska hat ein Imageproblem: das Massaker von Srebrenica, bei dem Milizen der bosnischen Serben 1995 unter den Augen niederländischer Blauhelme 8000 muslimische Bosniaken ermordeten. Westliche Touristen meiden die Gegend wie die Pest; Investoren, von der Tourismus-Behörde heiß umworben, ebenfalls. Das vom Bosnienkrieg weitgehend verschonte Hotel »Mladost« bei Tjentiste, einen Steinwurf vom Denkmal entfernt und Basislager für Gipfelstürmer oder Besucher der berühmten Gletscherseen und einst rappelvoll, steht daher leer und verfällt immer mehr. Über das Worst-Case-Szenario - den Einsturz des Denkmals - nachzudenken, hat sich Nationalparkchef Stanković strengsten verboten. Denn die gesamte Projekt-Dokumentation hat der Krieg vernichtet.

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