Der Krieg gegen Kinder nimmt zu

Hilfsorganisation »Save the Children« fordert in ihrem neuesten Bericht mehr Konfliktprävention und Friedenssicherung

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Tendenz ist erschreckend: Das aktuelle Ausmaß der Verstöße gegen Kinderrechte in Konflikten ist höher als je zuvor in den vergangenen 20 Jahren. Das ergeben übereinstimmend die Recherchen des Osloer Institut für Friedensforschung (PRIO) und die Analyse der Berichte der Arbeitsgruppe »Kinder und bewaffnete Konflikte« der UNO, die die Hilfsorganisation »Save the Children« vorgenommen hat. Sie dienten als Grundlage des Berichts »Krieg gegen Kinder«. Bei allen statistischen Unschärfen und Erhebungsproblemen, aus denen die Autoren der Studie kein Hehl machen, sind manche Trends ihrer Ansicht nach dennoch eindeutig: »Zum Beispiel ist die Zahl der durch die UN verifizierten Tötungen und Verstümmelungen von Kindern stark angestiegen: seit dem Jahr 2010 um fast 300 Prozent.«

Nicht nur die Tendenz ist erschreckend, die absoluten Zahlen sind es auch: »Allein 2016 wurden mindestens 10 068 Kinder in Konflikten getötet oder verstümmelt.« Und das sind nur die offiziell bestätigten, die Dunkelziffer gilt als hoch. »Die tatsächlichen Zahlen liegen wohl weit höher, sind aber aufgrund begrenzten Zugangs und fehlenden Quellen nicht verfügbar.« Auf mehr als 357 Millionen Kinder in Gebieten, die von Konflikten betroffen sind, beziffert der Bericht die globale Dimension. Jedes sechste Kind auf der Welt ist demnach betroffen und damit weit mehr als Anfang der 1990er Jahre. 1995 waren es 200 Millionen Mädchen und Jungen. Der Grund für den Anstieg liegt nicht an einer gestiegenen Zahl von Konfliktgebieten, die lagen 1995 mit 66 deutlich höher als 2016 mit 52. Um als Konfliktgebiet eingestuft zu werden, müssen in dem Land mindestens 25 Todesfälle durch Kampfhandlungen pro Jahr vorliegen. Kampfhandlungen zwischen Drogenkartellen wie in Brasilien und Mexiko fallen nicht in diese Kategorie, Brasilien kommt in dem Bericht nicht vor, Mexiko nur am Rande, wie Belgien, Frankreich und Deutschland infolge von Terroranschlägen.

Dass Kinder mehr und mehr zu Opfern von Konflikten werden, liegt an der veränderten Austragung: »In den vergangenen Jahren werden Kriege zunehmend in Städten geführt, und zivile Straßen und Häuser werden zu Schauplatz von Kampfhandlungen. Schätzungen zufolge leiden derzeit 50 Millionen Menschen unter den Folgen solcher urbaner Kriegsführung.«

Fast die Hälfte der betroffenen Kinder lebt in Regionen mit besonders schweren Konflikten, vor allem Syrien, Afghanistan und Somalia. Diese Kinder haben häufig kaum Zugang zu Gesundheitsversorgung oder Bildung - von der dort übermäßig drohenden Gewalt ganz abgesehen.

Im Nahen Osten leben dem Bericht zufolge zwei von fünf Kindern in einer Krisenregion, in Afrika eins von fünf - lediglich Afghanistan liegt außerhalb der beiden Hauptkrisenregionen Naher Osten und Afrika. Allerdings ist die jüngste Eskalation der Rohingya-Krise in Myanmar noch nicht eingearbeitet. Helle Thorning-Schmidt, Leiterin von Save the Children, nannte die Zahlen »schockierend«. »Kinder leiden unter Dingen, die kein Kind jemals erleben sollte. Ihre Häuser, Schulen und Spielplätze sind zu Schlachtfeldern geworden.« Die frühere dänische Ministerpräsidentin forderte die Staats- und Regierungschefs der Welt auf, mehr zu tun, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Save the Children fordert zudem mehr Konfliktprävention und Friedenssicherung sowie mehr Investitionen in den Wiederaufbau in Konfliktgebieten. Bei den Wiederaufbaubemühungen müssten Kinder im Mittelpunkt stehen. Bisher werden bei der humanitären Hilfe weniger als fünf Prozent der Gelder für Schutz, seelische Gesundheit, psychosoziale Hilfe sowie Bildung bereitgestellt.

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