AfD und Pegida auf Kuschelkurs

Im Osten kommen sich die Rechtsausleger immer näher - wird der Unvereinbarkeitsbeschluss gekippt?

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 4 Min.

Lutz Bachmann, Initiator und Chef der islamfeindlichen Pegida-Bewegung, tummelt sich gern im Osten Deutschlands, hoffend, dort Befürworter seiner kruden Thesen zu finden. Er findet sie. Zumindest bei der AfD. So sah man den 45-Jährigen auch beim politischen Aschermittwoch jener Partei im sächsischen Nentmannsdorf, just bei jener Veranstaltung, auf der Sachsen-Anhalts AfD-Landes- und Landtagsfraktionschef André Poggenburg in Deutschland lebende Türken als »Kümmelhändler« und »Kameltreiber« verunglimpft hatte. Und zwei Tage danach tauchte Bachmann in Mecklenburg-Vorpommern auf, wohl wieder, um sich und seine Organisation bei der AfD anzuwanzen. Mit Erfolg.

Die AfD-Landtagsfraktion und das Pegida-Bündnis im Nordosten wollen fortan zusammenarbeiten. Im Rahmen einer Veranstaltung namens »Bürgerdialog« haben dies Vertreter beider Seiten bekannt gegeben, berichtet der NDR. AfD und Pegida hätten die gleichen Ziele, hieß es aus den Reihen der Beteiligten, nämlich »den Kampf gegen die Islamisierung Deutschlands«. Eine Annäherung sei überfällig, betonte der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Christoph Grimm.

Mit ihrem Beschluss zur Zusammenarbeit dürften die AfDler jedoch immer dann gegen einen Beschluss ihres Bundesvorstandes verstoßen, wenn es gemeinsame Redeauftritte mit Pegida-Leuten geben sollte. Solche nämlich hatte die Parteispitze im Mai 2016 untersagt.

Doch dieses Papier soll weg, forderte unlängst Sachsen-Anhalts AfD-Chef Poggenburg - der mit dem üblen Kameltreiber-Spruch. Auf der Facebook-Seite seines Landesverbandes schreibt er mit Blick auf die frühere AfD-Chefin Frauke Petry, die den Unvereinbarkeitsbeschluss mit initiiert hatte: »Die Distanzierung von Pegida ist das missliche Erbe unserer ehemaligen Bundesvorsitzenden, von dem wir uns endlich befreien müssen.« Insbesondere die Islam-Kritik sei eine gemeinsame Schnittmenge, faktisch gebe es »gerade im Osten kaum Distanzierung der AfD zu Pegida«. Die AfD stehe zu dieser friedlichen Bürgerbewegung.

Diese Haltung ist offenbar auch der AfD in Sachsen zu eigen, zumindest pflegt sie ihr neuer Landesvorsitzender Jörg Urban. Auch er sieht in Pegida eine Bürgerbewegung und fordert, die Bundesspitze der Partei möge den Mitgliedern auf Landesebene in punkto Umgang mit der islamfeindlichen Organisation freie Hand lassen. Beide Seiten waren sich schon mehrmals nahe gekommen, so etwa im Mai vergangenen Jahres auf dem Dresdner Neumarkt, wo der AfD-Kreisvorsitzende Egbert Ermer ausrief: »Die AfD und Pegida stehen gemeinsam hier in Dresden, gemeinsam in Sachsen und gemeinsam in Deutschland.« Ein weiterer Redner bezeichnete Pegida als »das Fußvolk der AfD, ihre Bodentruppe«. Als im Oktober 2017 in Dresden das dreijährige Pegida-Bestehen gefeiert wurde, hatten sich auch Bundestagsabgeordnete der AfD eingestellt, unter ihnen Heiko Hessenkemper, der gern für Abschiebung und gegen die »Ausplünderung und Auslöschung Deutschlands« trommelt.

Für ein Zusammenwirken mit Pegida, von dem im Westen übrigens nichts zu vernehmen ist, wird indes auch in Thüringen geworben, in vorderster Reihe von AfD-Landeschef Björn Höcke. Pegida könne helfen im »vorpolitischen Raum« präsent zu sein, sagte der Rechtsaußen dem mdr. Die Sympathie des Thüringers zu der fremdenfeindlichen Organisation ist nichts Neues. So hatte Höcke nach einem Bericht des Magazins »Spiegel« im Frühjahr 2016 den Pegida-Vizevorsitzenden Siegfried Däbritz nach Erfurt eingeladen - zur Demonstration gegen eine Moschee.

Noch weiter zurück liegen Versuche des Anbandelns in Brandenburg. Die stellvertretende Fraktionschefin der AfD im Landtag, Birgit Bessin, hatte schon 2015 laut »Tagesspiegel« telefonisch mit Pegida-Boss Bachmann Kontakt aufgenommen und sich, so sagte sie seinerzeit, »mit ihm ausgetauscht«. Fazit, so Bessin: Das Interesse, Pegida in Brandenburg zu entwickeln, sei vorhanden.

Beim Interesse ist es nicht geblieben, bei den AfDlern im Lande scheint Pegida willkommen und präsent zu sein, traf sich doch ihr Bundestagsabgeordneter Enrico Komning vor wenigen Tagen in Neubrandenburg zu einer Veranstaltung mit Pegida-Vertretern. Komning verteidigt den Kuschelkurs: Wenn man sich das 19-Punkte-Programm von Pegida anguckte, so sagte er dem NDR, enthalte es genau die Islamkritik, die auch die AfD vertrete. Diese Kritik müsse in die Parlamente gebracht werden. AfD-Bundesboss Alexander Gauland, so erinnerte der Abgeordnete, habe in einer TV-Sendung geäußert: Die AfD brauche zwei Standbeine - zum einen die parlamentarische Tätigkeit, zum anderen auch den Druck von der Straße.

Von Pegida also. Ob der Unvereinbarkeitsbeschluss des Bundesvorstandes das Miteinander noch bremsen kann, darf bezweifelt werden. Schon jetzt wird er offensichtlich ignoriert, und Sachsen-Anhalts AfD-Chef Poggenburg will beim nächsten »Konvent« - so nennt sich ein kleiner Parteitag der AfD - offiziell den Antrag stellen, das Distanzpapier zwischen beiden rechtslastigen Seiten möge abgeschafft werden. Dann kann zusammenwachsen, was wohl zusammen gehört.

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