Geschichtliche Totalverweigerung

Auf dem Bückeberg feierten die Nazis - CDU, AfD und Freie Wähler wollen keinen Gedenkort

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf dem Bückeberg liegen noch ein paar mit Gras zugewachsene Betonplatten. Sonst erinnert auf dem 160 Meter hohen Hügel bei Hameln nichts mehr an die pompös inszenierten »Erntdankfeste« der Nationalsozialisten. Sie zelebrierten hier von 1933 bis 1937 bäuerliches Brauchtum und jubelten Adolf Hitler zu. 1937 sollen 1,2 Millionen Menschen gekommen sein. Damit gehören die Erntefeste zu den größten Massenveranstaltungen der Nazis. Historiker sprechen dem Bückeberg mit Blick auf die Kriegsvorbereitungspropaganda dieselbe Bedeutung zu wie dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg und dem Mai-Aufmarsch-Platz Tempelhofer Feld in Berlin.

Seit zwei Jahren gibt es Pläne, den Bückeberg zu einem Gedenkort umzugestalten. Ein Verein um den Hamelner Historiker Bernhard Gelderblom hat ein Konzept für die Gedenkstätte entwickelt. Danach soll das Gelände durch ein »historisch-topografisches Informationssystem« für Besucher erschlossen werden. Auf acht sogenannten Info-Inseln, die über den Berghang verteilt sind, soll es Tafeln mit Texten und Fotos zu den »Reichserntedankfesten« geben. Auf schleifenartigen Wegen von Insel zu Insel würden ins Erdreich eingelassene Platten auf weitere Details hinweisen. Über die verwitterten Fundamente der Ehrentribüne soll ein Steg gebaut werden, der einen Blick über das Gelände erlaubt und auch für Rollstuhlfahrer zugänglich ist.

Seit zwei Jahren gibt es auch Vorbehalte und Proteste gegen das Vorhaben. Die Gegner einer Gedenkstätte begründen ihre Ablehnung nach außen hin unter anderem mit den Kosten - für das Projekt sind bislang rund 450 000 Euro veranschlagt. Außerdem sei das vorgeschlagene Konzept »nicht mehr zeitgemäß« und »über unsere Köpfe hinweg« erstellt worden. Bei mehreren Bürgerversammlungen und in zahlreichen Leserbriefen wurde indes deutlich, dass viele Menschen aus der Region es grundsätzlich gut sein lassen wollen mit der Erinnerung an die NS-Zeit und die damals begangenen Verbrechen.

Mehr als 2000 Unterschriften gegen das Projekt haben Anwohner aus Emmerthal - der Bückeberg liegt auf dem Gemeindegebiet - in den vergangenen Monaten zusammengetragen. Die Gemeinde hat etwa 10 000 Einwohner. Die Listen wurden am Donnerstagabend dem Emmerthaler Rat übergeben, als der sich in einer mehrstündigen Sondersitzung mit dem Thema Bückeberg befasste. Eine Mehrheit im Kommunalparlament aus CDU, Freien Wählern und AfD lehnte die Errichtung einer Gedenkstätte ab. Sie beschloss stattdessen, dass der Ist-Zustand des Geländes erhalten bleiben soll. Lediglich zwei Hinweistafeln sollen künftig über die Hintergründe des Bückebergs als Austragungsort der »Reichserntedankfeste« informieren.

Weiterhin beschloss der Rat, dass sich die Gemeinde nicht an der Finanzierung einer Gedenkstätte beteiligt. Auch werde sich die Gemeinde Emmerthal in keine Gesellschaft einbringen, die als möglicher Träger der Gedenkstätte im Gespräch ist. Schließlich stimmte der Rat mehrheitlich auch einem AfD-Antrag zu, eine Bürgerbefragung zu den Umgestaltungsplänen zu organisieren. Eine solche Abstimmung wäre allerdings nicht bindend.

Überhaupt haben die Entscheidungen zunächst keine praktischen Konsequenzen: Der Bückeberg gehört dem Land Niedersachsen, die Dokumentationsstätte würde von einem Verein betrieben und vom Landkreis Hameln-Pyrmont und Stiftungen finanziert. Gleichwohl setzen die Emmerthaler Ratsbeschlüsse Gedenkstättenbefürworter wie Hamelns Landrat Tjark Bartels (SPD) politisch unter Druck. Der einzige Weg, die Vergangenheit zu überwinden, bestehe darin, sich mit ihr zu beschäftigen, sagte Bartels. Der Kreistag diskutiert am 13. März über den Bückeberg.

»Es wäre wünschenswert, wenn der Kreistag fraktionsübergreifend mit großer Mehrheit für das Projekt stimmte«, sagte am Freitag der Geschäftsführer der Gedenkstätten-Stiftung, Jens-Christian Wagner. »Die NS-Verbrechen waren Regime- und Gesellschaftsverbrechen, die auf allen Ebenen begangen wurden.« Deshalb sei es Aufgabe der gesamten Gesellschaft, sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen.

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