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Schlafen ist das beste Training

Viele Fußballprofis vernachlässigen das Thema Regeneration. Wie es besser geht, zeigt Cristiano Ronaldo

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Für Ironman-Weltmeister Patrick Lange ist es ganz einfach. »Das beste Regenerationsmittel ist simpel: Schlaf! An harten Trainingstagen hilft es mir, einen Mittagsschlaf zu machen«, sagt der Langdistanz-Triathlet aus Darmstadt. Der gelernte Physiotherapeut achtet seit Jahren darauf, Körper und Geist genügend Erholung zu gönnen. Gerade nach der medialen Vereinnahmung infolge seines Hawaii-Siegs sei es schwierig gewesen, dieses Gleichgewicht zu halten. Sein Interview ist in der aktuellen Ausgabe der »Sportärztezeitung« erschienen, in der Herausgeber Robert Erbeldinger das Thema Regeneration und Prophylaxe vertieft hat.

»Schlafen und Ernährung sollten für jeden Sportler individuell gesteuert werden. Die Regeneration muss ein Ritual werden. Jeder muss hierfür seinen eigenen Weg finden«, meint der Sportwissenschaftler. Der 39-Jährige spricht von einer »vergessenen Trainingsmethode« und stellt fest: »Regeneration ist ein unterentwickeltes Feld, in dem speziell der deutsche Profifußball noch Nachholbedarf hat.« Spätestens seit der Vergabe des Nobelpreises der Medizin 2017, wo im Grundsatz nachgewiesen wurde, dass jeder Mensch einem eigenen inneren Rhythmus folgt, sieht es Erbeldinger als essenziell an, sich mehr mit diesem Gebiet zu beschäftigten.

Was auch Tim Meyer, Teamarzt der deutschen Nationalmannschaft, erkannt hat, als der Mediziner vor dem DFB-Wissenschaftskongress in Frankfurt 2016 feststellte: »Schlafen ist sicher ein bis heute unterschätzter Faktor und viel zu wenig erforscht.« Bei Kurztrips zu weit entfernt liegenden Auswärtsspielen wie in Aserbaidschan oder Kasachstan sind die deutschen Nationalspieler in jüngerer Vergangenheit in ihrer Zeitzone geblieben, um den gewöhnlichen Tagesrhythmus beizubehalten und Schlafstörungen zu vermeiden. Da wurden auch schon einmal extra die Zimmer verdunkelt.

Meyer meint: »Das Interesse am Schlafen unter dem Gesichtspunkt der Regeneration hat in den vergangenen Jahren erst eingesetzt. Die Wirkung eines erholsamen Schlafs halte ich für sehr groß. Im Gegenzug ist alles, was einen gesunden Schlaf stört, eher schädlich.« Zum Beispiel Alkohol: »Wer abends zwei Bierchen trinkt, schläft vielleicht gut ein, aber die Schlafqualität leidet.«

In der »Sportärztezeitung« führt Dr. Kurt Mosetter den inneren Rhythmus und die Regeneration als »Eckpfeiler für optimale Leistungen« aus. Der frühere Teamarzt der US-Nationalmannschaft, der von 2011 bis 2016 eng mit Jürgen Klinsmann zusammenarbeitete und heute die Bundesligisten TSG Hoffenheim und RB Leipzig berät, empfiehlt »Schlaftraining und Schlafhygiene«. Entscheidender Faktor für einen »harmonisch inneren Takt« sei die Ernährung: »Brot, Nudeln, Kartoffeln, Süßes, Säfte, Früchte, kurzkettige Kohlenhydrate sollten stets streng gemieden werden.« Erst recht bremse Zucker am Abend die Erholung aus. Wichtig seien auch Ruhepausen während des Tages, bewusste Übergangszeiten und gezieltes Früherschlafengehen.

Dabei kann wenig schon viel bewirken, wie Erbeldinger erklärt: »Der Mittagsschlaf wird oft belächelt, ist aber seit Jahrhunderten für die Menschheit relevant.« Ein Nickerchen (»Powernap«) kann also bereits wahre Wunder vollbringen. Als der bekannte Schlafcoach Nick Littlehales vor etlichen Jahren im englischen Fußball und Rugby im Spitzenbereich eine Bestandsaufnahme machte, kam Erschreckendes heraus. Die Profisportler waren gestresst, hatten zu wenig geschlafen und noch dazu zu Koffein und Alkohol gegriffen, um den Druck auszuhalten - Gift für den Regenerationsprozess. »Dabei mussten sie nur lernen, wie man richtig schläft, um den Stress zu bekämpfen«, so Littlehales. Sein Buch »Sleep - Schlafen wie die Profis« erscheint dieser Tage im Knaus-Verlag. These: Durch eine ausgeklügelte Schlafstrategie lässt sich sogar die Leistungsfähigkeit steigern.

Davon profitiert Cristiano Ronaldo, der mit dem Experten für erfolgreiches Schlafen zusammenarbeitet, seit dieser sich 2013 auf Betreiben des damaligen Trainers Carlo Ancelotti mal bei Real Madrid vorstellte. Der viermalige Weltfußballer schläft oft fünfmal am Tag. Allerdings nur 90 Minuten. Dabei bringe der Superstar seinen gestählten Körper in eine Embryohaltung, und sein Bett sei immer frisch bezogen, erzählte Littlehales der Zeitung »The Independent«.

Das habe vor allem mit der inneren Uhr zu tun, denn er glaube nicht an die traditionellen acht Stunden Schlaf, weil dieser Schlafrhythmus unnatürlich sei und zu dem berüchtigten Mittagstief zwischen 13 und 15 Uhr führe. Sein Kunde Ronaldo (»Es interessiert ihn nur, ob es für ihn funktioniert.«) legt auf die Erholung extremen Wert, beachtet vor dem Zubettgehen ein anderthalbstündiges Handy- und Bildschirmverbot auf, um die blauen Wellenlängen des Lichts zu vermeiden, die das Nervensystem belasten.

Ist »CR7« auch deshalb mit 33 Jahren noch Weltklasse, weil er ausgeschlafener als die meisten Gegenspieler ist? Erbeldinger kann die These nur bejahen und sieht ihn sogar als Vorbild an, was die Eigenverantwortung bei der Regeneration angehe. »Der Teamarzt eines Bundesligisten ist nicht zuständig für das Schlafverhalten. Ein Profi wird nicht nur dafür bezahlt, dass er umfassend trainiert, sondern auch ausreichend regeneriert.«

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