Nächster Halt: Genuss

Ein kulinarischer Städtetrip mit dem neuen Hochgeschwindigkeitszug

  • Cornelia Höhling
  • Lesedauer: 7 Min.

Nicht auszudenken, wenn Goethe statt der Pferdekutsche die neue superschnelle Bahnverbindung nach München zur Verfügung gestanden hätte! Sicher wäre er dann öfter an die Isar »gedüst«. Denn nach seinem einzigen Besuch im Herbst 1786 blieb die Stadt einer seiner Sehnsuchtsorte, wie in Briefen und Tagebüchern des Dichters nachzulesen ist.

Münchens Werbeslogan »I mog di« spiegelt somit wohl auch Goethes Gefühl für die bayerische Residenzstadt wider. Dabei geht es keinesfalls nur um Oktoberfest und Bier. Also nichts wie hin! Selbst aus Berlin braucht der Hochgeschwindigkeitszug, der mit Tempo 300 und noch dazu »grün«, weil mit 100 Prozent Ökostrom, durch Deutschlands Mitte rauscht, nur knapp vier Stunden. Eine echte Alternative zu Straße und Flugzeug, wie der enorme Fahrgastansturm zeigt. Die Bahn spricht nach nur wenigen Wochen schon von einer Verdopplung der Zahl der Reisenden im Vergleich zum Vorjahr.

Erfurt, wo man »Plempe« zum Dünnbier sagt und die Maß zu Luthers Zeiten 1,62 Liter groß war, ist seit der Eröffnung der ICE-Strecke im Dezember des vergangenen Jahres neues Fernverkehrsdrehkreuz. Also nicht durchrauschen und sich lieber erst einmal ein Stück Thüringen auf der Zunge zergehen lassen. Auch hier gibt es eine lange Biertradition. Allein in der Landeshauptstadt soll es im ausgehenden Mittelalter 584 Braueigenhöfe gegeben haben. Wichtiger als Bier aber ist für die Thüringer die Bratwurst. Ohne sie geht hier gar nichts. Die Einheimischen sehen in ihr nicht nur ein Lebensmittel, sondern auch ein Kulturgut. Touristen, die das »Heiligtum« mit Ketchup essen, begehen in ihren Augen eine Todsünde. Zur Wurst gehört Senf, natürlich der von hier - Bornsenf! Deshalb verweist Stadtführerin Sabine Hahnel beim Rundgang durch die historischen Gassen auf das Born-Feinkostgeschäft am Wenigemarkt. Der Senfladen ist zugleich Senfmuseum. Denn Bornsenf wird seit fast 200 Jahren hergestellt, mittlerweile in zahlreichen Sorten, so dass für jeden Geschmack etwas dabei ist. Übrigens gibt es auch Ketchup.

Senf ist sogar für den Chocolatier Alex Kühn, dessen Geschäft auf der berühmten Krämerbrücke ein magischer Anziehungspunkt für Naschkatzen ist, eine Zutat für Pralinenfüllungen. Seine Kreativität kennt keine Grenzen. Ob »Brückentrüffel« oder »Grappa-Senf-Pralinen«, alle 80 Sorten seiner Schokoladen-Manufaktur »Goldhelm« sind zum Dahinschmelzen. Wer will, kann nicht nur bei der Herstellung zuschauen, sondern auch selbst mitmachen. Neben den verschiedensten Gaumenfreuden bieten die Läden auf der beidseitig bebauten Brücke, auf der früher mit »Kram«, nämlich teurem Tand und Spezereien, gehandelt wurde, heute auch Kunst und Antiquitäten an.

Patrizierhäuser und liebevoll rekonstruierte Fachwerkbauten schmücken den mittelalterlichen Kern der über 1275 Jahre alten Stadt. Unbedingt einen Besuch wert ist das prächtige Kirchenensemble aus Dom und Severikirche - nicht nur, wenn dort in jedem Sommer die längst über die Landesgrenzen hinaus bekannten Domstufenfestspiele stattfinden. Zu ganz besonderen Anlässen wird im Dom die mehr als 500 Jahre alte »Gloriosa«, eine der größten freischwingenden Glocken Europas, geläutet.

Wie wäre es mit einer Küchenparty in der »Bachstelze«, um die vielen Eindrücke zu verdauen? In dem seit 1931 betriebenen Ausflugslokal des Erfurter Ortsteils Bischleben/Stedten verwöhnt die 38-jährige Starköchin Maria Groß ihre Gäste und lässt sie gern mitkochen. »Maria Ostzone« ist ihr Label. Und es sei mehr als das, nämlich ein Lebensgefühl, sagt die 2013 zur jüngsten Sterneköchin Deutschlands Gekürte, die mit regionalen Produkten ein Stück thüringische »Landschaft« auf den Teller bringt.

Besucher, die es rustikaler lieben, können in einer mittelalterlichen Erfurter Scheune einkehren. Auch wenn »Faustfood« über dem Eingang steht, hat das nichts mit Goethes berühmtestem Drama zu tun. Es ist ein Indoor-Holzkohlegrill-Bistro, wo man sich natürlich auch Bratwurst und Bier schmecken lassen kann.

Zum »Faustfestival« rauscht der schnelle ICE dann in reichlich zwei Stunden nach München weiter. Rund 500 Kunst- und Kulturveranstaltungen und eigens zum Thema gebrautes Bier sind in diesem Jahr dem Dichter, Naturforscher und Genießer Goethe gewidmet. Er ist und bleibt allgegenwärtig - bei Alt und Jung. Bei Letzteren wohl besonders deshalb, weil der erfolgreiche Unterhaltungsfilm »Fack ju Göhte« zu großen Teilen in München gedreht wurde und hier inzwischen sogar als Musical auf der Bühne zu sehen ist.

In Bayerns Hauptstadt stehen Kunst und Kultur von jeher hoch im Kurs. 2018 wird mit 200 Jahren Nationaltheater und 100 Jahren Bayerische Staatsoper ein Doppeljubiläum gefeiert. Aber auch das Wirtshaus mit Weißbier und Weißwurst gehöre untrennbar zum kulturellen Erbe der Stadt, versichert Claudia Berges.

Die »EssKulTour«-Führerin weiß, »wie München schmeckt«, und steuert direkten Weges über den »Stachus« genannten Karlsplatz, vorbei an der aus dem 15. Jahrhundert stammenden Frauenkirche hin zum Viktualienmarkt. Auf Deutschlands größtem Freiluftmarkt kaufen selbst Spitzenköche ihre frischen Zutaten. Hier ein Käsehäppchen, dort etwas Fisch, am Honighäusl ein Schlückchen Met oder Likör - die Verführung lauert an jedem Stand. Dass der dortige Maibaum dem Thema Bier gewidmet ist, verwundert so wirklich niemanden.

»Vorsicht, heiß und fettig!« heißt es im nahe gelegenen Café Frischhut, wo man unbedingt die legendären »Schmalznudeln« probieren sollte. Die haben allerdings nichts mit Nudeln zu tun, sondern sind ein regionaltypisches Hefegebäck, das hier seit 1973 hergestellt wird und so begehrt ist, dass man sich dafür gern in eine Warteschlange einreiht.

Obwohl im ältesten noch erhaltenen Bürgerhaus der Stadt untergebracht, scheint das Bier-Oktoberfest-Museum noch ein Insidertipp zu sein. Bei einer Bierverkostung im angeschlossenen Stüberl erklärt Michael Hartmann, dass das Holz der Balken nachweislich 1346 gefällt wurde. Während er Geschichtliches rund ums Münchner Reinheitsgebot von 1487 erzählt, probieren wir auch Münchner Schmankerln wie die urbayerische Spezialität, den »Obazda«, einen gehaltvollen Brotaufstrich aus Käse.

Leicht berauscht von all dem Gehörten, Getrunkenen und Gegessenen spazieren wir zum Marienplatz, wo nicht nur das Herz der Stadt, sondern auch das Glockenspiel vom Neuen Rathaus schlägt. Natürlich wird noch einmal eingekehrt, ins »Donisl«. Das gerade wiedereröffnete Traditionswirtshaus besteht seit 1715. Im Laufe der Zeit hinterließen 36 Inhaber ihre Spuren. Heute hat es die größte Schankanlage Deutschlands und ein Cabriodach, so dass man im Sommer unter freiem Himmel schlemmen kann. Stammgäste haben sogar ihre persönlichen Maßkrüge, die mit eigenem Schloss gesichert sind. Wie wir im »Donisl« erfahren, soll Bier angeblich der überzeugendste Beweis dafür sein, dass Gott den Menschen liebt und ihn glücklich sehen will. Na dann: Prost oide Wuaschdhaut!

Infos

Erfurt: Am Hauptbahnhof auf dem Willy-Brandt-Platz präsentiert die Touristinformation den Besuchern mit der Erlebniswelt »360 Grad – Thüringen digital entdecken« den ersten touristischen digitalen Showroom Deutschlands.
www.thueringen-entdecken.de
www.erfurt-tourismus.de

Domstufenfestspiele 2018: »Carmen« vom 3. bis 26. August www.domstufen-festspiele.de

Kulinarische Höhepunkte:
www.born-feinkost.de
www.faustfood.de
www.goldhelm-schokolade.de
www.mariaostzone.de

München:
Touristinfo: www.einfach-muenchen.de
»Faustfestival«: 23. Februar bis 29. Juli 2018 mit über 500 Veranstaltungen
Münchner Opernfestspiele: vom 24. Juni bis 31. Juli 2018
www.staatsoper.de
www.museen-in-muenchen.de
Kulinarische Erlebnisse und Stadtführungen: www.esskultour.com
www.donisl.com/de

ICE-Sprinter von Berlin nach München:
Sechs schnelle Verbindungen gibt es täglich zwischen Berlin und München mit Halt in Erfurt. Um 6, 12, und 18 Uhr starten die Züge jeweils in Berlin und München und brauchen (regulär) 3:55 Stunden bis zur jeweiligen Endstation.
Mehr Infos: www.bahn.de

Die Reise wurde unterstützt von den Tourismusverbänden Thüringen und Bayern sowie der Deutschen Bahn.

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