Ein Bärendienst für den Frieden

Ökumenische Friedensdekade ernennt Kabarettisten Uwe Steimle zum Schirmherren - und rudert nach Protesten zurück

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 4 Min.

Die »Ökumenische Friedensdekade« will sich in diesem Jahr dem »Krieg 3.0« widmen - eigentlich. In den zehn Tagen vor dem Buß- und Bettag im November soll es in Gottesdiensten, Vorträgen und Gesprächen um automatisiertes Töten und die digitale Kriegsführung der Zukunft gehen. Die Initiative, der mehrere kirchliche Organisationen wie die »Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen« sowie die »Aktion Sühnezeichen Friedensdienste«, aber auch »Brot für die Welt« und »Pro Asyl« angehören, hat für ihre Aktion wie stets seit 2004 einen Schirmherren benannt. Allerdings währte die Amtszeit des Dresdner Kabarettisten Uwe Steimle nur fünf Tage. Nun wird statt über den »Krieg 3.0« über eine Posse berichtet, mit der sich die »Friedensdekade« einen Bärendienst erwiesen haben dürfte.

Dass der 54-jährige Humorist in die Funktion berufen wurde, die früher etwa der Schauspieler Peter Sodann, der Musiker Sebastian Krumbiegel oder die Politikerin Malu Dreyer bekleidet hatten, sorgte für Überraschung. Steimle verweist zwar auf eigene Friedensprojekte, etwa die eher skurrile Idee, den Dresdner Fernsehturm mit Kreuz, Halbmond und Davidstern zu versehen - quasi als Symbol des Friedens zwischen den Religionen. Dass er Politiker wie Angela Merkel und Joachim Gauck unter Anspielung auf deren familiäre Wurzeln jedoch abfällig als »Pfaffenbrut« bezeichnet, deutet kaum auf Nähe zu kirchlichen Initiativen hin. Wie auch immer: Steimle wurde Schirmherr - und kommentierte das mit einem angeblichen indianischen Sprichwort: »Frieden ist dort, wo wir recht handeln und wo zwischen jedem Land und jedem Menschen auf der Welt Gerechtigkeit herrscht.«

Viele derer, die sich empört über die Wahl zeigten, legen Steimle aber zur Last, nicht recht zu handeln - indem er mit Rechts anbandelt. Vor allem in Sachsen reagierten kirchliche Unterstützer der Friedensdekade und Initiativen gegen Rechtsextremismus fassungslos. Christian Wolff, der frühere Pfarrer der Leipziger Thomaskirche, sprach im kirchlichen Online-Magazin »Die Eule« von einem »Fehlgriff«. Der Artikel trug die Überschrift »Panne mit Ansage«.

Auslöser dafür sind, wie es die Friedensdekade in einer zerknirscht klingenden Pressemitteilung formulierte, »grenzwertige oder als grenzüberschreitend angesehene Äußerungen« des Kabarettisten, die »keine eindeutige Distanz« zu Rechtspopulisten bei AfD und Pegida erkennen ließen. Für die islamfeindliche Bewegung soll Steimle einst ein »zärtliches Gefühl« geäußert haben. Die in rechten Kreisen populäre These einer fehlenden Souveränität der Bundesrepublik und die dort ebenfalls verbreitete Ablehnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks füttert er, indem er, wie in seinem 2016 erschienenen Buch »Warum der Esel Martin heißt«, von »Besatzungsmoderatoren« spricht und die These vertritt, die Medienlandschaft sei so »gleichgeschaltet« wie nicht einmal in der DDR. Sein aktuelles Programm schließt mit dem Satz, man werde noch eine Weile warten, »und dann marschieren wir los«. Ein Rezensent der »Sächsischen Zeitung« erfuhr kürzlich auf Nachfrage, das Ziel sei der Reichstag. Die »etablierten Parteien«, fügte Steimle an, hätten »das Volk verarscht«.

Diesen Wutbürger-Duktus erklärte die Journalistin Daniela Mayer vom »Deutschlandfunk« im Mai 2017 mit einem »Sinneswandel« Steimles, der von einem Links- in einem »Rechtsdrall« verfallen sei. Der bekennende Ossi und Honecker-Imitator Steimle passe sich damit an eine verbreitete Geisteshaltung seines Publikums an. Mit diesem singt er noch immer Pionierlieder; gern begrüßt er die Zuschauer auf Russisch und wettert über »die Amis«. Abneigung gegen Amerika ist freilich auch am rechten Rand populär. Ein T-Shirt mit dem Slogan »Ami go home«, in dem sich Steimle 2016 bei einem Interview ablichten ließ, erwies sich als Werbeartikel des Magazins »Compact«, dessen Chefredakteur Jürgen Elsässer mit dem äußersten rechten Flügel der AfD und mit Identitären kooperiert. Die »Friedensdekade« stellte in einer Erklärung fest, Steimle lasse »Grenzen zu antiamerikanischen und antisemitischen Positionen verschwimmen«.

Unklar bleibt, warum sie zu der Erkenntnis erst nach erfolgter Kür des Kabarettisten gelangte. Die Belege für Steimles Geisteshaltung sind so zahlreich, dass der freie Journalist Andreas Vorrath im Jahr 2017 vom Amtsgericht Meißen attestiert bekam, er dürfe Steimle einen »völkisch-antisemitischen Jammerossi« nennen. Eine Klage des Kabarettisten wies der Richter mit dem Hinweis ab, dieser habe »wiederholt Vorlagen geliefert, die eine solche Meinung zuließen«.

Steimle kann politischen Zuordnungen offenkundig wenig abgewinnen; das Motto seiner aktuellen CD mit dem Titel »Fludschen muss es« lautet: »Bin nicht links, bin nicht rechts - ich bin vorn«. Den Entzug der Schirmherrschaft hatte er zunächst lakonisch kommentiert: Damit stehe »der Frieden im Regen«, sagte er der »Sächsischen Zeitung«. Auf Anfrage des »nd« äußerte er sich empört und gekränkt: Die Friedensdekade mache sich »zum willfährigen Werkzeug von Verleumdern und Hetzern«, erklärte er: »Bewiesen hätte ich gern durch Taten, wo ich stehe!« In einem zornigen Nachsatz heißt es, es gehe »natürlich nicht, dass man selbst ernannte Sehr-gut-Menschen überführt als das, was sie sind: Friedensheuchler«.

Solidarität erfährt der Kabarettist indes auch. Der Dresdner AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier wetterte, es werde »böses Schindluder« mit Steimle getrieben. Und der Leipziger Pegida-Ableger Legida twitterte: »Wer Steimle auslädt, hat Steimle nicht verdient.«

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