Als Wissen zum Rohstoff wurde

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Reaktionen auf den »Europäischen Bildungsgipfel« zu Beginn dieses Jahres waren überwiegend affirmativ. Zum Beispiel jugendhilfeportal.de, das die Informationen zum Gipfel eins zu eins wiedergibt, gespickt mit langen Zitaten. Oder die Otto-Wels-Grundschule, die, mit dem Projekt »Kids conquering castles« zum Gipfel eingeladen, auf owg-berlin.de betont, wie sehr ihr Projekt den Zielen des Gipfels entspreche. Kritik kommt dagegen vom Deutschen Bundesjugendring, der bereits vor dem Gipfel die Hinzuziehung der Jugendverbände forderte, denn dem europäischen Bildungsraum fehle es an einem »Jugendsektor«. Überhaupt wolle man keine »Verzweckung« der Bildung im Dienste der Ökonomie (dbjr.de).

Seit der Jahrtausendwende wird verstärkt auf Bildung als Wirtschaftsfaktor gesetzt und damit der Begriff Wissensgesellschaft im Mainstream implementiert. Er ist umstritten, älter allemal. Nach Wikipedia umfasst er das Zeitalter, in dem »individuelles und kollektives Wissen sowie dessen Organisation« die Grundlage des »sozialen, ökonomischen und medialen Zusammenlebens« bildet.

Einer der ersten Wissenschaftler, der sich mit diesem Begriff auseinandersetzte, war der Ökonom Peter Drucker, der die Begriffe »Angestelltengesellschaft« (1950) und »Wissens- oder Kopfarbeiter« (1960) prägte, bevor er zu dem der »Wissensgesellschaft« (1969) überging. In den USA spricht der Politologe Robert E. Lane 1966 von der »knowledgeable society« (Wissensgesellschaft). 1973 wurde der Begriff dann populär. In seinem Buch »The Coming of Post-Industrial Society« (Postindustriegesellschaft) unternahm der US-amerikanische Soziologe Daniel Bell den Versuch einer Kategorisierung von Wissens- und Industriegesellschaft. Während letztere durch Arbeit, Rohstoffe und Kapital geprägt wurde, zeichne sich die Wissensgesellschaft durch theoretisches Wissen als Rohstoff aus. Bell sah einen Strukturwandel in Richtung Dienstleistungsökonomie und Wissensarbeit auf die Gesellschaft zukommen (www.os3.nl). Zeitlich lasse sich dieser Übergang jedoch nicht genau festlegen. Zwar werde dem Strukturwandel eine ähnliche Dimension wie der des Wandels von der Agrar- zur Industriegesellschaft nachgesagt, aber auch die Industrialisierung basiere auf einem systematischen Umgang mit Wissen.

Um die Fragen nach »Art, Schaffung und Verwertung der Ressource Wissen« besser zu fassen, wird auf das Werk des Philosophen Michael Polanyis »The tacit dimension« (Implizites Wissen, 1966) verwiesen. Mit seiner Unterscheidung von impliziten und expliziten Wissen legte er das integrierte, nicht formale implizite Wissen bloß, um auch dies der Formalisierung preiszugeben. »Wir wissen mehr, als wir zu sagen wissen« (docupedia.de).

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