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Viel zu viel Streit

Mit der Trennung von Steffi Jones wirft der Deutsche Fußball-Bund erstmals seine Bundestrainerin raus

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 3 Min.

Engagement und Empathie allein sind keine Erfolgsgaranten. Zumindest nicht für eine Fußballtrainerin, die damit fehlende Erfahrung wettmachen wollte. Auf diese Formel lässt sich die von Anfang an unter keinem glücklichen Stern stehende Amtszeit von Bundestrainerin Steffi Jones bringen. Am Dienstagmorgen zog der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Reißleine und entband die Frankfurterin von ihrer Aufgaben bei der Frauen-Nationalmannschaft. Die 45-Jährige, die kürzlich noch betont hatte, sie wolle sich »nicht wie die Sau durchs Dorf treiben lassen«, muss gehen, weil der Verband das wichtigste Ereignis - die Teilnahme an der Frauen-WM 2019 in Frankreich - in größter Gefahr sieht.

Den Ausschlag gab, dass das Team unter Leitung der 45-Jährigen beim SheBelieves-Cup, einem Einladungsturnier in den USA, nicht nur krachend die letzte Partie gegen WM-Ausrichter Frankreich (0:3) in den Sand gesetzt hatte. Sie hatte zudem weite Teile der Spielerinnen nicht mehr hinter sich. Nach dem überflüssigen Viertelfinal-Aus bei der EM und einem verlorenen WM-Qualifikationsspiel gegen Island zerfällt das Team in streitende Grüppchen: Da konnte die DFB-Führung ihre Schutzhand nicht mehr über die als Harmoniegarantin gedachte Jones legen.

Das Präsidium folgte der Empfehlung des Nationalmannschaftsdirektors Oliver Bierhoff sowie des Sportlichen Leiters Joti Chatzialexiou. Letzterer ist neuerdings für die weiblichen Nationalteams zuständig und hatte sich die ersten Turnierspiele gegen die USA (0:1) und England (2:2) vor Ort angesehen. Womöglich hat der 42-Jährige die erheblichen atmosphärischen Störungen in den USA mitbekommen. Bierhoff jedenfalls deutete dies an: »Mit Blick auf die sportliche Entwicklung, die wichtige Qualifikation für die WM und die unterschiedlichen Rückmeldungen vom SheBelieves-Cup sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass die Mannschaft eine neue Führung braucht.« Man wolle nun die Strukturen im Frauenfußball professionalisieren, die Verzahnung mit dem Männerbereich verstärken und neue konzeptionelle Wege gehen.

Interimsmäßig übernimmt Horst Hrubesch. Der 66-Jährige scheut sich nicht, in einen Bereich einzutauchen, der sich in vielen Parametern vom Männerfußball unterscheidet. »Ich habe den Frauenfußball in den vergangenen Jahren verfolgt und war auch bei der Europameisterschaft vor Ort. Ich helfe in dieser Phase gerne.« Doch als Langzeitlösung taugt der Sportdirektor mitnichten.

Spannend wird sein, ob der DFB in seiner neuen Struktur den Mut aufbringt, alte Zöpfe abzuschneiden. Juniorennationaltrainerin Maren Meinert ist zwar vertraut mit dem Metier, doch eigentlich scheut die 44-Jährige das Rampenlicht. Die große Lösung wäre Ralf Kellermann, der allerdings dann kaum als Sportlicher Leiter beim VfL Wolfsburg verbleiben könnte. Der 44-Jährige hat auf Vereinsebene so viele Erfolge vorzuweisen, dass der Verband sich zwingend mit ihm beschäftigen muss. Dasselbe gilt für die Schweizer Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Die ehemalige Nationalspielerin ist auf ihre Art unbequem, hat allerdings die Eidgenossen zuletzt zu WM und EM geführt.

Der Rauswurf von Jones bedeutet eine Zäsur, denn bislang hatte es mit Gero Bisanz, Tina Theune und Silvia Neid nur langfristige geplante Besetzungen gegeben, die schiedlich-friedlich den Staffelstab weiterreichten. Jones’ Ernennung - 2015 verkündet, 2016 nach dem Olympiasieg vollzogen - fiel noch in die Ära von DFB-Chef Wolfgang Niersbach.

Auch ihr Assistent Markus Högner macht nicht weiter. Hrubesch holt sich für die WM-Qualifikationsspiele am 7. April gegen Tschechien und drei Tages später in Slowenien stattdessen die langjährige Neid-Vertraute Ulrike Ballweg und seinen persönlichen Begleiter Thomas Nörenberg an die Seite. Wie es im Hinblick auf das wohl entscheidende Qualifikationsspiel in Island (1. September) weitergeht, will Chatzialexiou in Ruhe entscheiden. »Wir werden uns die nötige Zeit nehmen, im engen Austausch mit der Liga einen passenden Kopf für diese Aufgabe zu finden.« Das Problem ist: Das Anforderungsprofil ist umfassend, der Kandidatenkreis indes ziemlich überschaubar.

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