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NRW-SPD versucht einen Neustart

Mitgliederstärkster SPD-Landesverband steht vor Personalveränderungen und will AfD an der Ruhr zurückdrängen

  • Dorothea Hülsmeier, Düsseldorf
  • Lesedauer: 4 Min.

Nach dem wochenlangen Kampf um die Große Koalition im Bund muss sich die nordrhein-westfälische SPD wieder mit ihrer eigenen Zukunft beschäftigen. Bald ein Jahr seit der schweren Schlappe bei der Landtagswahl steht der mitgliederstärkste SPD-Landesverband vor einem inhaltlichen und personellen Neuanfang.

Den Startschuss gab Landeschef Michael Groschek am Freitagabend - indem er auf eine erneute Kandidatur für den Parteivorsitz verzichtete. »Jünger und weiblicher« solle die Partei jetzt werden, sagte er. Wobei das Gesicht der NRW-SPD ja über Jahre lang weiblich geprägt war - durch die einstige Vorsitzende und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Groschek hatte nach der Wahlniederlage das Ruder in der schwer angeschlagenen Landespartei übernommen.

Im Nordosten soll es ein Generalsekretär richten

Güstrow. Die Modernisierung der SPD in Mecklenburg-Vorpommern soll künftig von einem Generalsekretär begleitet werden. Das Amt soll der stellvertretende Landesvorsitzende Julian Barlen übernehmen, sagte die Vorsitzende der Landes-SPD, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, am Wochenende in Güstrow.

In der Stadt waren der Landesvorstand und der Landesparteirat – die Vertretung der acht Kreisverbände – in eine zweitägige Klausur gegangen. Die Gremien seien ihrem Vorschlag einstimmig gefolgt, das Amt zu schaffen und mit Barlen zu besetzen, sagte Schwesig, die auch Bundes-Vizevorsitzende ist. Über die Satzungsänderung soll ein Sonderparteitag am 26. Mai entscheiden. Dann sollen auch der Generalsekretär und ein neuer Vize-Vorsitzender gewählt werden, kündigte Schwesig auf einer Mitgliederkonferenz ebenfalls am Wochenende an.

Der 38-jährige Barlen sagte, er würde die Zeit bis zum Parteitag gerne zu Gesprächen nutzen, um zu erfahren, welche Erwartungen an das Amt des Generalsekretärs gestellt würden. Der studierte Volkswirt war von 2011 bis 2016 Abgeordneter des Landtages. Derzeit leitet er unter anderem die Projekte Endstation Rechts und Storch Heinar. Über die Ausgestaltung des neuen Amtes – etwa ob es ein Haupt- oder Ehrenamt sein soll – wurde Schwesig zufolge noch nicht im Detail gesprochen. Auf der Mitgliederkonferenz rief Schwesig mit Blick auf die Kommunalwahl 2019 die Sozialdemokraten auf, sich in den Kommunen zu engagieren. dpa/nd

»Wir werden eine große personelle Erneuerung an der Spitze der SPD erleben«, verkündete der 61-Jährige und eröffnete damit das Rennen um die Führungsposten. Keiner der potenziellen Kandidaten, deren Namen seit Wochen gestreut werden, hat sich bisher aus der Deckung getraut. Genannt werden etwa der Kölner Landtagsabgeordnete Martin Börschel (45), Partei-Vize Marc Herter (43) oder auch Ex-Justizminister Thomas Kutschaty (49).

Unter den Frauen, die auf Svenja Schulze als Generalsekretärin folgen könnten, werden Sarah Philipp (35) aus Duisburg und die Dortmunder Unterbezirkschefin Nadja Lüders (47) ins Spiel gebracht. Den Wahlparteitag zog der Landesvorstand von September auf den 23. Juni vor - und erhöhte damit den Druck, rasch neues Führungspersonal zu finden.

Damit die Kür nicht aus dem Ruder läuft, soll eine Art Findungskommission »im kleinen Kreis« ein Personaltableau für die wichtigsten Posten aufstellen, das dann von Präsidium und Landesvorstand abgesegnet und vom Parteitag beschlossen werden soll. Personalquerelen, wie sie die Bundes-SPD vormachte, will Groschek vermeiden. Aber es soll auch nicht so aussehen, als wolle die engere Parteiführung kungeln.

»Jeder und jede hat das Recht, sich für Spitzenpositionen zu bewerben«, sagt Groschek. »Aber nur ganz wenige haben die Fähigkeit dazu.« Und: Ja, natürlich habe er schon Vorstellungen, wer künftig die NRW-SPD anführen könnte.

Auch ein weiterer wichtiger Posten, der SPD-Fraktionsvorsitz im Landtag, ist neu zu vergeben. Wohl Ende Mai soll ein Nachfolger für Fraktionschef Norbert Römer (71) gewählt werden. Auch da will Groschek Konsens statt Kampf. Natürlich könne die SPD-Fraktion selber über ihre Personalien entscheiden, betont er. Aber er spiele in dem Prozess eine »moderierende Rolle«. Denn beim Personaltableau werden auch die vier SPD-Regionen ein gewichtiges Wort mitreden wollen, heißt es in der Partei. Derzeit stellt das westliche Westfalen die meisten Abgeordneten. Wenn es nach der Stärke der Region ginge, könnten etwa Marc Herter aus Hamm und auch Nadja Lüders aus Dortmund recht gute Chancen haben.

»Erneuerung« ist die Devise überall. Was aber inhaltlich neu werden soll, ist noch recht schwammig. »Es gibt viele unterschiedliche Vorstellungen, was man unter Erneuerung zu verstehen hat«, sagt der Essener SPD-Chef Kutschaty. »Es reicht nicht, dass ein Ortsverein eine WhatsApp-Gruppe gründet.« Die SPD müsse auch eine Haltung zu den »Altlasten« wie Hartz IV entwickeln. »Wollen wir Korrekturen?« Die Partei müsse Fehler benennen und »weg vom Klein-Klein«. »Wir müssen Antworten finden auf die Zukunftsängste der Menschen«, sagt Kutschaty. Rente, Pflege, Integration seien die Mega-Themen vor Ort.

Gerade im Ruhrgebiet mit seinen sozialen Brennpunkten und dem Vormarsch der AfD in alten SPD-Bastionen müssen die Sozialdemokraten sich neu behaupten. »Politik kann nicht nur dagegen sein, man muss auch sagen, was die Alternative ist«, sagt Lüders. Und ja, auch die Basis müsse wieder eingebunden werden.

Das Prinzip »jung und weiblich« sieht Lüders eher nüchtern. »Weiblich und jung allein reicht nicht. Da muss schon etwas mehr dabei sein.« Lüders ist die bisher einzige, die offen mit Blick auf den Generalsekretärsposten sagt: »Zutrauen würde ich mir das, aber es kommt aufs Team an.«

Sollte der neue SPD-Vorsitzende ein Mann sein, so steht nämlich für die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen fest, dass der Posten des Generalsekretärs mit einer Frau besetzt wird. Das habe bislang auch niemand in der NRW-SPD infrage gestellt, sagt die Vorsitzende Daniela Jansen.

Beim Stichwort »jung« wollen natürlich die Jusos, die vergeblich gegen die Neuauflage der großen Koalition kämpften, an die Front. Sie fordern eine »radikale personelle Verjüngung« der Partei und »mindestens auf der Ebene der stellvertretenden Parteivorsitzenden« einen festen Platz für die Jusos.

Klar ist aber auch: Wer künftig an der Spitze der Fraktion oder Partei steht, muss das Zeug haben, Spitzenkandidat zu werden und CDU-Ministerpräsident Armin Laschet bei der nächsten Landtagswahl herauszufordern. Und was will Groschek künftig machen? »Mal gucken.« dpa/nd

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