»Das ganze Nest muss brennen«

Eine Düsseldorfer Ausstellung zeigt Fotos, mit denen Altmeister Josef Sudek die Zerstörung Prags dokumentierte

  • Siegfried Schmidtke, Düsseldorf
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Schreckensherrschaft der Nazis in Prag und dem von ihnen installierten »Protektorat Böhmen und Mähren« dauerte sechs Jahre lang, von März 1939 bis Mai 1945. Die jüdische Bevölkerung wurde enteignet, deportiert und schließlich in Konzentrationslagern ermordet, tschechischer Widerstand gnadenlos liquidiert.

Die Hauptstadt Prag blieb aber während des gesamten Zweiten Weltkriegs von Luftangriffen fast verschont. Fast - denn im Februar 1945 wurde die »Goldene Stadt« irrtümliche von Flugzeugen der Alliierten bombardiert - die Piloten hatten nach langem Anflug Prag mit Dresden verwechselt. Zahlreiche Denkmäler in der historischen Neustadt und auch das Emmauskloster wurden zerstört.

Die zweite Bombardierung Prags im Mai 1945 war dann voll beabsichtigt. Trotz der näher rückenden Roten Armee hatte die »Nazi-Vernichtungselite« (so ein Wort des Historikers Erich Später) in Prag die tschechische Hauptstadt noch nicht verlassen. Auch Hanns Martin Schleyer, der spätere Arbeitgeberpräsident in der Bundesrepublik, gehörte zum Besatzungsapparat. Am 5. Mai begann der »Prager Aufstand« der tschechischen Bevölkerung gegen die deutschen Besatzer. Mit Barrikaden versuchten die Tschechen der militärischen Übermacht der Wehrmacht und der SS-Divisionen zu trotzen. SS-Gruppenführer Graf Pückler forderte die Bombardierung Prags. Die Altstadt solle dem Erdboden gleichgemacht werden. »Das ganze Nest muss brennen«, verlangte er. In Prag brannte es dann tatsächlich vom 5. bis zum 8. Mai 1945. Das Altstädter Rathaus und viele andere Sehenswürdigkeiten wurden zerstört.

Die Verwüstungen in der tschechischen Hauptstadt im Februar und Mai des Jahres 1945 hat der Fotograf Josef Sudek (1896 bis 1976) festgehalten. Als »Sudek Project« werden die Trümmerfotos jetzt in Düsseldorf gezeigt. Sudek gilt als Legende der tschechischen Fotografie. Stillleben, Gärten und Landschaften gehörten zu seinen Lieblingsobjekten, doch auch über 800 Personenporträts befinden sich in seinem Nachlass. Seine Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus dem Jahr 1945 zeigen heute nicht mehr existierende Teile der Stadtarchitektur, wie etwa die Fenster eines später abgerissenen Rathausflügels oder Gebäude in der Altstadt.

Josef Sudek dokumentierte systematisch die Prager Trümmerhaufen und Ruinen als Auftragsarbeit für einen Wochenkalender für das Jahr 1946, der die »Kulturellen Verluste in Prag 1939-1945« aufzeigen sollte.

Die aktuelle Ausstellung im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus (Deutsch-Osteuropäisches Forum) wurde von der tschechischen Akademie der Wissenschaften konzipiert. Von Düsseldorf wandert die Ausstellung weiter nach Mailand, Rom und Warschau und wird im Sommer dieses Jahres dann in erweiterter Version in Prag zu sehen sein.

Die Ausstellung »Prag in Trümmern« wird in Düsseldorf nur noch bis zum 29. März gezeigt: Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstr. 90 (nahe Hbf), 40210 Düsseldorf; Mo und Mi 10 bis 17 Uhr, Di und Do 10 bis 19 Uhr, Fr 10 bis 14 Uhr, Eintritt frei; Informationen im Netz unter: www.g-h-h.de

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