Minusgeschäfte mit Seecontainern

Der größte Containervermittler P&R in München hat Insolvenz angemeldet

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Ist das die Wende? Ein halbes Jahrhundert, nachdem im Hamburger Hafen das erste Containerschiff abgefertigt worden war, stellt der Marktführer in der Containervermittlung einen Insolvenzantrag. Der Finanzdienstleister P&R ist pleite. Dabei galt das maritime Unternehmen aus München noch vor kurzem als geschätzter Akteur, der seit 1975 Millionen von Stahlboxen finanziert hat. Nun zittern 51 000 Kapitalanleger um ihr Geld. Es geht um bis zu 3,5 Milliarden Euro - und möglicherweise um einen der größten Finanzskandale.

Lange galten Seecontainer als Gelddruckmaschine. Globalisierung, Welthandel und damit die Schifffahrt boomten. Gleichzeitig veränderte eine international standardisierte, 20 Fuß große Box aus Stahl die Logistik: Immer mehr Waren wurden nicht mehr in Säcken oder als loses Schüttgut über die sieben Meere geschippert, sondern in Standardcontainern (TEU). Der Index für den weltweiten Containerumschlag, den das RWI- Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen erstellt, legte nach der Finanzkrise 2008 in kurzer Zeit um die Hälfte zu und raste von 80 auf über 120 Punkte. Selbst Kaffeebohnen und Autos werden seither in Containern transportiert. Schnell wurden die Boxen dann jedoch knapp. Auch, weil zeitweilig nur eine Firma in Südkorea größere Stückzahlen produzierte.

Diese Knappheit machte den Boxen-Handel besonders lukrativ. Bald tummelten sich Banken und Finanzdienstleister auf diesem Markt. Einer der größten Akteure wurde P&R. Zuletzt verwaltete der Finanzdienstleister 1,25 Millionen Container. Allein mit diesen Boxen ließe sich der Betrieb in Deutschlands größtem Hafen vollständig abwickeln.

P&R hatte Container zur privaten Geldanlage angeboten. Zehntausende Anleger kauften von den Münchnern Boxen. P&R vermieteten sie für einige Jahre in der Transportindustrie. Dafür wurde dem Anleger auf seinem Konto eine Miete gutgeschrieben. Am Ende der Vertragslaufzeit kaufte P&R die Container dann zurück. So sah der Plan aus, der lange aufging. Doch nun kann P&R die Container weder zurückkaufen, noch die Mietzahlungen aufbringen.

Seit Jahren steht die Logistikbranche unter Druck, weil zu viele Schiffe sich auf den Meeren tummeln und Ladung suchen. Schiffsfinanziers wie die HSH Nordbank trieb dies in den Untergang. Längst übersteigt die Zahl der Container deren Nachfrage deutlich. Doch erst Anfang März teilte P&R seinen Kunden mit, dass fällige Miet- und Rückzahlungen nicht fristgerecht erfolgen könnten. Der Insolvenzantrag überraschte Beobachter dann kaum noch.

Schon vor Jahren waren als solide geltende Finanzdienstleister wie die Investmenttochter des Hamburger Hafenbetriebs Buss aus dem Neugeschäft mit Containern ausgestiegen. Vor zwei Jahren musste mit Magellan Maritime Services ebenfalls ein deutscher Anbieter von Container-Investments aufgeben. Knapp 10 000 Anleger hatten zu jenem Zeitpunkt rund 350 Millionen Euro investiert. Immerhin gelang es dem Insolvenzverwalter später, über Hunderttausend Boxen im Paket für etwa 160 Millionen Euro zu verkaufen. Was die Verluste der Anleger begrenzen dürfte.

Bis zum Jahr 2014 war dieser sogenannte graue Kapitalmarkt kaum reguliert. Neben seriösen Vermittlern, fanden sich dort Abzocker, die wenig informierten Laien Anlagen mit hohen Renditeversprechen verkauften. Erst eine Reform des Kapitalanlagegesetzes (KAGB) brachte strengere Regeln. Doch ein Ruhekissen bietet dies nicht. So warnen Verbraucherschützer nicht erst seit der jüngsten Pleite vor solchen Anlagen. »Wir weisen seit Jahren darauf hin, dass es an Transparenz auf dem grauen Kapitalmarkt mangelt«, sagt Annabel Oelmann, Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen. Sie kritisiert die »intransparente Preisbildung« der meisten Anbieter.

»In der Werbung werden die Risiken oft verharmlost und die Vorteile hingegen betont«, erklärt Oelmann. Verbraucher sollten bei risikoreichen Anlagen vorsichtig sein. »Diese sind für die klassische Altersvorsorge für die meisten Menschen nicht geeignet.« Inzwischen sind es nicht mehr Container und Schiffe, die den grauen Markt anführen. Angesichts rasant wachsender Mietpreise werben Finanzdienstleister und Banken vor allem für Immobilien-Investments und Flugzeuge.

P&R will nach Firmenangaben den Betrieb weltweit fortführen, um »eine geordnete Verwertung« der Container zu ermöglichen. Ob in der Vergangenheit immer alles rechtens zugegangen ist oder P&R ein »Schneeballsystem« nutzte, wird erst das Insolvenzverfahren zeigen. Die SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger rät Betroffenen, den Verfahrensverlauf »in den kommenden Monaten« zunächst abzuwarten.

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