Nichts ist für die Katz

Die Zeitschrift «Kosmoprolet» behandelt in der aktuellen Ausgabe die Weltkommune, Islamismus und die chinesische Arbeiterklasse

  • Markus Mohr
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit dem Jahr 2007 existiert eine Zeitschrift unter dem Namen «Kosmoprolet», die von ursprünglich aus Freiburg stammenden Aktivisten publiziert wird. Sie haben sich zwischenzeitlich in einer, so die Selbstbeschreibung, «Assoziation antiautoritär kommunistischer Gruppen» - wie die «Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft» (Berlin), «La Banda Vaga» (Die streunende Bande, Freiburg) und dem «Surplus Club» (Frankfurt) - versammelt.

Der Titel ist programmatisch zu verstehen und bezieht sich auf die irrlichternde Geschichte radikal linken Misslingens wie Begehrens im 20. Jahrhundert. Der Zeitschriftentitel erinnert dabei zunächst an die Cosmopolis, die Idee des Weltbürgers, doch mit der Einfügung des «r» solle der schöne Bürgertraum konterkariert und auf seine sozialrevolutionäre Pointe gebracht werden. Kurz: «Die Weltgesellschaft besteht, aber in verkehrter Form, als allgemeine Proletarisierung.»

Zugleich behauptet sich der Name gegen jeden, auch den «linken» Nationalismus« - um präzisierend darauf zu verweisen, dass es doch gerade der »wurzellose Kosmopolit« sei, der zum Zielobjekt der ab Ende der Vierziger Jahre in der UdSSR einsetzenden antisemitischen Kampagnen geworden war.

Mit den in loser Folge in kompakten DinA5-Format publizierten Heften beanspruchen die antiautoritär gestimmten Kommunisten, »sowohl die ausgetretenen Pfade des linken Aktivismus, als auch die Studierzimmer des Seminarmarxismus« zu verlassen. Es gehe darum, mit der Zeitschrift »zur Entstehung eines sozialrevolutionären Pols« beizutragen. Ändere sich in einem kommunistischen Sinne nichts an den menschlichen Beziehungen, zeigt sich die Redaktion in ihrer Selbstdarstellung überzeugt, so »war alles für die Katz«.

Mit ihren Hauptbeiträgen in dem aktuellen Heft stellt sich die Redaktion gewissermaßen als Global Player auf. Der alternative Slogan »klein ist schön« ist erkennbar nicht ihr Sound. So trägt sie hier erste Umrisse der Weltkommune vor, sie entfaltet Thesen zum Islamismus und reflektiert die Entwicklungen der Arbeiterklasse in China.

Mit Kenntnis der Klassiker des Marxismus und der Kritischen Theorie verwerfen die Kosmoproleten hier sowohl jedes »Phantasma einer von sich aus zur Befreiung treibenden Technikentwicklung« in nunmehr digitalem Gewand, wie auch alle Formen eines revolutionären Spontaneimus, der sich selbstgenügsam im Schein der unmittelbaren Destruktion feiert. Unter explizierter Berücksichtigung auch der Ökologie- und Geschlechterfrage geben sie theoretisch profiliert ihrer Hoffnung auf noch kommende globale Umwälzungen Ausdruck.

Im Editorial zeigt sich die Redaktion allerdings pessimistisch. Die nach dem Finanzcrash 2008 auf die Bühne getretenen oppositionellen Bewegungen hätten leider an Schwung verloren, sie hätten, so scheint man sich gewiss, »dem Alltäglichen in Form von Demokratie, Militärdiktatur und Mörderbanden Platz gemacht«.

Da muss man doch ein wenig schlucken, das wird doch wohl nicht gedankenlos hingerotzt sein? Bei allem Respekt vor überallgemeinen Begrifflichkeiten eines Strukturmarxismus, in denen sich die gleitenden Übergänge zwischen Demokratie und Mörderbanden theoriepolitisch noch stets fluide gestalten: Lebensweltlich handelt es sich doch bei der Differenz zwischen Demokratie und Mörderbanden um die schlichte Frage nach Leben oder Tod. Eben diese sollte man doch gerade mit Blick auf alle Katzen in der Welt, die noch stets sieben Leben hatten, als antiautoritärer Kommunist niemals vernachlässigen.

Am Schluss des Heftes erinnert die Redaktion an den mit 82 Jahren verstorbenen 1968er-Militanten Peter Rambauseck, den sie als einen »ideellen Vorläufer« ihres eigenen Zeitschriftenprojektes würdigt. Ganz zurecht, denn die Zeitschrift beansprucht doch, ihre historischen Einflüsse aus den dissidenten Teilen der kommunistischen Linken und der radikalen Bewegungen zu beziehen, die gegen Staatsgläubigkeit und Parteifetisch die Autonomie gesetzt haben. Rambauseck hat eben das in seiner Vita eingelöst und den Kosmoproleten auch noch den Genuss seiner engagierten Bekanntschaft verschafft.

Texte unter www.kosmoprolet.org

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