«Religiöser Analphabetismus»

Fake-News-Video aus Dresdner Kirche kursiert im Internet: Eritreische Christen zu Muslimen gemacht

  • Lesedauer: 3 Min.

Dresden. Ein im Internet veröffentlichtes Video über ein angebliches Gebet von Muslimen in der Dresdner Martin-Luther-Kirche sorgt für Aufregung. Der gut zwei Minuten lange Clip mit liturgischen Gesängen eines Gottesdienstes eritreischer Christen war am Montag über soziale Netzwerke verbreitet und mit den Worten «islamische Gebete in der Lutherkirche Dresden» untertitelt worden. Mit dem Video sei eine «oberflächliche Beobachtung ohne Wissenshintergrund» verbreitet worden, sagte Matthias Oelke, Sprecher der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens.

Die in dem Film überbrachte Botschaft sei «eine klare Falschaussage, auf die man eigentlich nur sachlich reagieren kann und muss». Der Beitrag zeuge von «religiösem Analphabetismus». Es sei «undenkbar, dass sich Muslime unter dem Kreuz versammeln», betonte Oelke. Ob es sich bei dem Video um einen «bösen Vorsatz» handele, sei nicht klar. In jedem Fall sei es für eine falsche Tatsachenbehauptung missbraucht« worden. Das Fake-News-Video wurde im Netz mehrfach islamfeindlich kommentiert.

Die sächsische Landeskirche hat nun juristische Konsequenzen geprüft. Es würden zunächst »keine rechtlichen Schritte ergriffen«, sagte Juristin Viola Vogel vom Landeskirchenamt in Dresden. In den sozialen Netzwerken habe die Landeskirche klargestellt, dass es sich bei den im Video gezeigten Gottesdienstbesuchern nicht um Muslime handelt, sondern um eritreische Christen. Sie hätten in der Martin-Luther-Kirche das orthodoxe Osterfest gefeiert.

Seit etwa zwei Jahren genießen die Flüchtlinge aus Eritrea ein Gastrecht in der Kirche in der Dresdner Neustadt. Jede Woche laden sie zu Gottesdiensten ein. In der Woche vor dem Osterfest, das orthodoxe Christen etwas später als in Deutschland feiern, versammelten sich die Eritreaer mehrfach in der Lutherkirche. Das Handy-Video wurde nach Angaben der Martin-Luther-Kirchgemeinde wahrscheinlich in der Woche vor dem orthodoxen Osterfest gefilmt.

Die Gottesdienstteilnehmer waren offenbar ungefragt gefilmt worden. Der Pfarrer der Dresdner Luther-Kirchgemeinde, Eckehard Möller, bezeichnete das Vorgehen als »unverfroren«. Zugleich betonte er: »Unwissenheit schützt vor Strafe nicht«. Außerdem sei am Kircheneingang ein Schild mit dem Hinweis auf den Gottesdienst der eritreischen Christen befestigt gewesen. Das habe die Filmerin, deren Stimme im Video zu hören ist, offenbar »nicht wahrhaben wollen«.

Nach einem Bericht der in Dresden erscheinenden »Sächsischen Zeitung« handelt es sich bei den Urhebern des Videos um mutmaßliche Rechtsextreme. Der Mitschnitt des Gottesdienstes war unter anderem auf der Facebookseite aufgetaucht, die den Namen des ehemaligen Bautzener NPD-Kreischefs Marco Wruck trägt. Geteilt wurde das Video auch vom Dresdner AfD-Mitglied Maximilian Krah, der den Beitrag aber zwischenzeitlich wieder gelöscht hat. Wie die »Dresdner Neuesten Nachrichten« online berichteten wurde in einigen Hasskommentaren zu dem Video sogar behauptet, dass Christen keinen Zutritt mehr zur Martin-Luther-Kirche hätten und »jetzt dort der Muezin rumschreit«. Die eritreische Kirche ist eine altorientalische Kirche und damit eine der ältesten christlichen Konfessionen. epd/nd

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