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Energieschwein Eigenheim

Bei Gebäuden steht der Klimaschutz noch ziemlich am Anfang

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Gebäude verursachen rund die Hälfte aller Kohlenstoffdioxidemissionen in der Hauptstadt. Um die Berliner Klimaziele zu erreichen, müssen die Emissionen in diesem Bereich bis 2050 gegenüber Stand 2012 um 84 Prozent sinken. An der energetischen Modernisierung führt also kein Weg vorbei. »Dieses Sanierungsziel auch zu erreichen ist eines der größten Probleme«, sagt Umweltstaatssekretär Stefan Tidow (Grüne) bei den Berliner Energietagen am Dienstag. Denn die energetische Sanierung hat sich wegen hoher Umlagen und meist vergleichsweise geringer Einsparungen zum Schreckgespenst der Mieter entwickelt. Nicht nur renditehungrige Investoren, auch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften haben wegen saftiger Aufschläge und der daraus folgenden Verdrängung von Geringverdienern immer wieder Schlagzeilen gemacht.

»Das ist eine Frage der bundesrechtlichen Rahmenbedingungen«, sagt Tidow. Mieten seien das zentrale Thema, das die Menschen bewegt. »Es muss aber trotzdem gelingen, den Klimaschutz wieder in die Debatte zu bringen«, so der Staatssekretär. »Das Haupthemmnis ist die Sicherstellung der Sozialverträglichkeit«, erklärt Bernd Hirschl, Sprecher des Klimaschutzrats. Dieses von Umweltsenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) berufene Gremium soll Senat und Abgeordnetenhaus bei der Umsetzung des im Januar beschlossenen Berliner Energie- und Klimaschutzkonzepts beraten.

»Ich finde, dass in dem Rat Vertreter aus dem Bereich Mieter- und Verbraucherschutz fehlen«, sagt Michael Efler, Sprecher für Energie- und Klimapolitik der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Tatsächlich sind beispielsweise der Umweltverband BUND, die Energiewirtschaft und auch der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) vertreten, der Mieterverein jedoch nicht. Die Mitglieder der entsprechenden Arbeitsgruppe hätten die Mieterproblematik jedoch auf dem Schirm, versichert Hirschl.

Der BBU-Bestand, rund 700 000 Wohnungen in der Hauptstadt, ist allerdings auch schon zu 90 Prozent saniert worden. »Wir haben 40 Prozent Anteil am Immobilienbestand in Berlin, der aber nur für zehn Prozent der Kohlendioxidemissionen verantwortlich ist«, erklärt BBU-Vertreter Jörg Lippert. Das größte Einsparpotenzial in der Hauptstadt schlummert jedoch in frei stehenden Ein- und Zweifamilienhäusern. Rund 250 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter Heizenergie verbrauchen diese laut »Machbarkeitsstudie Klimaneutrales Berlin 2050«. Damit liegt diese Wohnform, in der knapp 630 000 Berliner leben, sowohl relativ als auch absolut an der Spitze der Energiefresser. Ein Wert, der sich durch Sanierung um über ein Drittel senken ließe.

»Die Einfamilienhauseigentümer müssen motiviert werden, auch im hohen Alter noch in ihre Häuser zu investieren«, sagt Michael Geißler, Geschäftsführer der Berliner Energieagentur. Mit individuellen Sanierungsfahrplänen sollen sie ermutigt werden, die energetische Modernisierung schrittweise anzugehen.

Auch die öffentlichen Gebäude haben hohen Sanierungsbedarf. Eine »Herkulesaufgabe« nennt das Sven Lemiss, Geschäftsführer der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement GmbH. Auf 1,3 Milliarden Euro beziffert er allein den energetischen Sanierungsstau bei den Gebäuden, für die er verantwortlich ist. Am schlimmsten sei die Lage bei Feuerwehr- und Polizeigebäuden. Bis Ende 2019 soll der konkrete Sanierungsfahrplan vorliegen.

»Ich warte bis heute auf den Haushaltstitel für die energetische Sanierung von Gebäuden in den Bezirken«, sagt Axel Westphal, Energiebeauftragter in Neukölln. »Mir brechen die Heizkessel weg, und es kommt kein Geld.« Einzig im Schulbereich werde man derzeit mit Geld zugeschüttet. Als echtes Vorbild taugen Senat und Bezirke noch nicht beim Klimaschutz.

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