Vom Verschwinden und Erscheinen

Die Schwartzsche Villa zeigt die Ausstellung »Katrin Plavcak - On the Couch«

  • Manuela Lintl
  • Lesedauer: 3 Min.

Von Manuela Lintl

Beim Betreten des großen Galerieraumes der Schwarzschen Villa taucht man in eine bühnenartige Kulisse ein: Raumhoch hängen grellrosa Fahnen von dreieinhalb Metern Länge und anderthalb Metern Breite mit aufgenähten Sprechblasen als Stoffcollagen von der Decke herab. Auf dem Fußboden liegen orientalische Teppiche, die von der Künstlerin Katrin Plavčak bearbeitet wurden.

An den Wänden schließlich sind in großzügigem Abstand wie flüchtig gemalte Ölbilder verschiedener Formate platziert. Insgesamt hat Katrin Plavčak für ihre Ausstellung »On the Couch« in den beiden Galerieräumen der Schwarzschen Villa acht Stoffcollagen, drei alte Orientteppiche, drei Objekte und neun Ölbilder zu einer begehbaren Raumpräsentation arrangiert. Gleich eingangs gibt das Porträt Sigmund Freuds (1856 - 1939) auf einem hölzernen Paravent, der zugleich als Abschirmung für den Bürotisch inmitten der Galerie dient, einen Fingerzeig zur Thematik, die hier eindrücklich abgehandelt wird: der Umgang mit Problemen und Lebenskrisen, die längst nicht mehr durch Rationalität und Vernunft gelöst werden können.

Katrin Plavčak, 1970 in Gütersloh geboren, ist nicht nur bildende Künstlerin, sondern auch Musikerin der CHICKEN & Desmond Garcia One Man Band. Sie pendelt zwischen Berlin und Wien, der Stadt, in der Freud vor seiner Emigration nach England praktiziert hat. Doch das mag Zufall sein, denn die ausgestellten Werke der Künstlerin sind mehr als eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema der Psychoanalyse. Etwas sehr Persönliches schwingt in dieser farbenfrohen Ausstellung mit, ein Bodensatz der Ernsthaftigkeit bei aller Leichtigkeit und Belustigung.

Bereits im Ausstellungstitel verweist die Künstlerin auf die von Freud um 1890 entwickelte Theorie und Behandlungsform der Psychoanalyse, die vereinfacht gesagt davon ausgeht, dass jeder Mensch drei psychische Instanzen in sich vereint: Das »Es« für unbewusste Triebe, das »Über-Ich« als eine Art Gewissen und von außen vermittelte Werte sowie das »Ich« des eigentlich handelnden Menschen. Da Freuds Patienten auf einem mit Orientteppichen drapierten Diwan lagen, wurde die Redewendung »sich auf die Couch legen« zum Synonym für psychoanalytische Behandlungen. Die Couch als Ort für Bekenntnisse, Erotik, Tagträumerei und Geschichtenerzählen wurde zum Symbol der Psychoanalyse schlechthin.

Als blaues Sofa taucht sie wiederholt in Katrin Plavčaks Bildern auf. Auf der Couch, die sich tatsächlich in ihrem Wiener Atelier befindet, hat die Künstlerin die Freunde »Marcus und Albrecht« und »Angela« porträtiert. In abstrahierter Form ruht in »Waldmensch zu Besuch« ein männlicher Akt lasziv auf dem Diwan. Plavčak mag nicht nur das Spiel mit Versatzstücken und Zitaten, sondern auch den Stilwechsel zwischen Surrealismus, Verismus oder Kubismus. Ihr flüchtiger Pinselstrich, die Vereinfachung der Formen und die Flächigkeit der Bilder erwecken dabei den Eindruck, diese seien in kurzer Zeit entstanden.

Genauso eilig angefertigt wirken die Applikationen auf den rosa Stoffbahnen, denn es kommt nicht auf handwerkliche Perfektion und Präzision an, sondern darauf, ein stimmungsvolles und stimmiges Gesamtbild entstehen zu lassen. Und es kommt darauf an, ein Ambiente zu schaffen, das von Ambivalenzen erzählt, von Wandel und Verwandlung, vom Erinnern und Vergessen, vom Verschwinden und Erscheinen.

Indem die Künstlerin die drei Teppiche mit dem Titel »Verhaltensmuster« versehen hat, nimmt sie ein weiteres Mal Bezug auf einen Begriff aus dem Freud’schen Vokabular. Die Assoziationen des Teppichs und seine sinnbildlichen Verknüpfungen zur Psychoanalyse lassen sich weiterspinnen: Der Teppich weist eine Grundstruktur von Rahmen, Grund und Figur auf, seine Motive können unendlich kombiniert werden.

Die Arten der Musterbildung basieren auf Techniken des Knüpfens, Verflechtens und Kombinierens. Bei Plavčak werden sie zu Metaphern der menschlichen Existenz. Doch so klar man die einzelnen Elemente in Katrin Plavčaks Werken auch benennen kann, so rätselhaft bleibt ihre tatsächliche Geschichte.

»Katrin Plavcak - On the Couch«, bis zum 17. Juni in der Schwartzschen Villa Galerie, Grunewaldstr. 55, Steglitz.

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