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Suche Frieden - und eine gute Zeit

Auf dem Katholikentag in Münster präsentierte sich die Kirche in ihrer ganzen Bandbreite

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 4 Min.

Samstagmorgen in einem Regionalzug von Dortmund nach Münster. Mit jedem Halt steigen mehr Besucher des 101. Katholikentags zu. Optisch dominieren Wanderschuhe, Rucksäcke und die blauen »Suche Frieden« Schals des Katholikentags, nicht selten kombiniert mit T-Shirts oder Ansteckern, die ihre Träger als Veteranen christlicher Events auszeichnen. Zu einer größeren Gruppe, die einsteigt, gehören auch Anne und Christel. Anne ist im Teenageralter, Christel ist ihre Oma. Die Enkelin erzählt, dass sie »mit Freundinnen von Freizeiten« verabredet ist. Auf dem Kirchentag will sie mit den Freundinnen »eine gute Zeit« haben. Die Einladung der AfD findet sie nicht gut und will sich die Demonstration dagegen mal anschauen.

Was Anne und Christel erzählen, trifft auf viele der 90.000 Besucher des Katholikentages zu. Sie gehen dorthin, um Freude zu haben. Allerdings ist das Treffen der Katholiken auch in jedem Jahr ein Ort, an dem Debatten geführt werden. Ein gutes Beispiel dafür ist das kritische Programm des »Katholikentag plus«, einem Zusammenschluss mehrerer Initiativen, die »fundamentale Kritik« äußern wollen, um Anstöße für »gesellschaftlich notwendige Veränderung« zu geben, wie Cordula Ackermann vom Münsteraner Institut für Theologie und Politik sagt.

An drei Tagen gibt es zahlreiche Veranstaltungen, unter anderem zu Christen und 1968, Befreiungstheologie und Kirchenasyl. Samstagvormittag steht das Thema Frauen und Homosexuelle in der katholischen Kirche auf dem Programm. Die feministische Kirchenhistorikerin Magdalene Bußmann diskutiert mit dem Kirchenrechtler Norbert Lüdecke und Johannes Brinkmann von der Initiative Homosexuelle und Kirche. Brinkmann berichtet zu Anfang von seinen ganz persönlichen Erfahrungen. Eigentlich wollte er Priester werden, studierte auch entsprechend. Als er sich wegen seiner Homosexualität dann doch entschied, nicht in den Kirchendienst einzutreten und stattdessen Sozialarbeiter zu werden, kommentierte dies ein Ordensoberer verächtlich: Sozialpädagogik sei doch etwas für Gescheiterte. Für die Kirchenhistorikerin Magdalene Bußmann ist das kein Wunder: »Heteronormativität ist seit 2000 Jahren Lehrplan der katholischen Kirche.« Brinkmann und Bußmann wurden in ihren Ausführungen schnell grundsätzlich. »Neue Blickwinkel auf den Menschen« forderte der homosexuelle Katholik. Die feministische Kirchenhistorikerin sprach sich für die »radikale Gleichheit aller Menschen« aus. Reformen wie etwa das Priesteramt für Frauen würden nur dazu dienen, bestehende Hierarchien auszudehnen.

Einige Initiativen aus dem christlichen LBGTQ-Spektrum hatten auch auf der riesigen »Kirchenmeile« ihre Stände aufgebaut. Alles was im weitesten Sinne christlich ist, hatte hier seinen Platz: christliche Zusatzversicherungen, Pilgerreiseveranstalter und Bistümer. Und dabei konnte man auch sehen, wie breit das Spektrum ist, das von der katholischen Kirche angezogen wird. Von christlichen Missionaren, die sich als »Weiße Väter« bezeichnen, bis zu Afrika-Projekten, die auf Ökologie und Kooperation ausgelegt sind. Unweit der LBGTQ-Stände finden sich die Stände von fundamentalistischen Abtreibungsgegnern. Am Stand einer lesbischen Initiative kann sich niemand für die selbst ernannten Lebensschützer begeistern. Es sei aber auch wegen solcher Leute wichtig, für ein »offenes Christentum« Präsenz zu zeigen, heißt es dort.

Nicht gerade für Offenheit steht die AfD. Dass ihr religionspolitischer Sprecher Volker Münz bei einer Debatte aller Bundestagsfraktionen dabei sein sollte, hatte im Vorfeld für zahlreiche Proteste und Debatten gesorgt. Deutlich über 1000 Menschen demonstrierten am Samstag gegen die Partei. Von Pfadfindergruppen bis zu linksradikalen Antifaschisten war das ganze Spektrum der AfD-Gegner vertreten. Die Diskussion mit dem AfD-Politiker selbst verlief dann allerdings eher unspektakulär. Zu Beginn stellten sich einige Menschen mit einem Transparent vor die Bühne und riefen, mit Bezug auf das Motto des Kirchentages, »Suche Frieden - nicht die AfD!«. Nach Bitten des Moderators gingen sie zurück auf ihre Plätze oder verließen den Saal. Im Anschluss gab es dann zwar vereinzelt Zwischenrufe, im Grunde aber eine gewöhnliche Diskussion, in der Volker Münz nicht überzeugen konnte. Auf rassistische Positionen von Parteifreunden wie Björn Höcke angesprochen entgegnete Münz nur, dass er nicht mit allem, was jeder in seiner Partei sagt, übereinstimme.

Ein anderer Aufreger war der Streit um die Kommunion für protestantische Ehepartner. Die Bischofskonferenz hatte im Februar mit Drei-Viertel-Mehrheit dafür gestimmt, sie in Einzelfällen zur Kommunion zuzulassen. Dagegen intervenierten sieben konservative Bischöfe um den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki beim Vatikan. Papst Franziskus rief die deutschen Bischöfe daraufhin auf, »eine möglichst einmütige Regelung zu finden«. Wie Marx forderte auch Woelki am Sonntag via Videobotschaft, die vielen Kleinkriege müssten »befriedet« werden. Endgültig beigelegt ist der Streit aber noch nicht.

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